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Zu sehen ist die Junge Deutsche Philharmonie mit dem Horn-Solistem Stefan Dohr und dem Dirigenten Jonathan Nott. Foto: Lena Laine

© LENA LAINE

Junge Deutsche Philharmonie: Wie es schallt aus dem Wald

Auf ihrer Frühjahrstournee begeistert die Junge Deutsche Philharmonie in Berlin - mit dem Dirigenten Jonathan Nott und dem Horn-Solisten Stefan Dohr.

Eigentlich ist dieses Konzert schon zur Pause zu Ende. Denn Jonathan Nott legt mit der Jungen Deutschen Philharmonie eine derart kesse Dvořák-Sohle aufs Parkett, dass der anschließende Jubel in der Philharmonie nur als final bezeichnet werden kann. Dabei inszeniert der Brite die achte Sinfonie von Antonín Dvořák beileibe nicht als temperamentvolle tschechische Folklore mit poetischen Einschüben. Diese Elemente gibt es natürlich auch – das tschechische Idiom hat Nott als langjähriger Chefdirigent der Bamberger Sinfoniker erlernt. Doch auch seine Vorliebe für zeitgenössische Musik kommt dem Werk zugute, dessen strukturelle Raffinesse plötzlich klar hervortritt.

So überraschen motivische Verwandtschaften zwischen dem innigen Adagio-Thema und dem ihm antwortenden „Vogelruf“-Motiv der Flöte, die sich später als gleiche Tonfolge in dramatischen Ausbrüchen zeigen. Und das alles in so warmer Tongebung, so empfindsam ausgeformt, so emotional präsent, mit so feinen Nuancen in Solovioline, Holzbläserdialogen oder blitzendem Blech, dass man vom ersten bis zum letzten Ton gebannt lauscht.

Im Mittelpunkt steht das Horn

Nott, der beim Orchester der besten Studierenden deutschsprachiger Musikhochschulen noch bis zu dessen 50-jährigem Jubiläum nächstes Jahr als Erster Gastdirigent und künstlerischer Berater unter Vertrag steht, hat Romantik und Zeitgenössiches in diesem Programm miteinander verschränkt. Dabei steht das Horn im Mittelpunkt, ein im Orchester unentbehrliches, doch ein wenig an den Rand gedrängtes Instrument.

Im „Hamburgischen Konzert“ von György Ligeti darf Stefan Dohr, Solohornist der Berliner Philharmoniker, als Virtuose in Erscheinung treten. Und doch ist er mit seinen verwickelten Läufen, halsbrecherischen Sprüngen und immer wieder in höchste Höhen strebenden Tonleitern „nur“ Primus inter pares von vier Hornist:innen, die an Naturhörnern als sein Klangschatten agieren.

Virtuoses Jagdgeschmetter

So ergibt sich ein reizvolles Geflecht von Tönen in „reiner“ Naturstimmung, die unseren Ohren jedoch „falsch“ klingen, mit unserem gewohnten temperierten System. Wunderbar ironisch wirkende „Choräle“ sind die Folge. Dem entspricht das Orchester mit behutsam sich auftürmenden „Liegeklängen“, die sich in energische Figuren, allerlei Jagd- und Tanzrhythmen auffächern.

Welchen Ursprungs das Horn eigentlich ist, als Instrument der Waldeinsamkeit, der Jagd, des Krieges, enthüllt sich in Robert Schumanns „Konzertstück“ op. 86. Andreas Becker, Stefan Dohr, Florian Gamberger und Daniel Schimmer sind hier die bis zum Äußersten geforderten Solisten, die bei allen Kunststückchen, allem Jagdgeschmetter auch butterweiche Melodik hervorbringen.

Dem glänzenden Schlusspunkt geht eine vom Orchester in Auftrag gegebene Deutsche Erstaufführung voraus: „ZMetamorphosis“ nennt Minas Borboudakis (geb. 1974) sein Werk, ein instrumentales Exzerpt seiner Oper „Z“, die wie der gleichnamige Film von Costa Gavras die Ermordung des Pazifisten Lambrakis zum Thema hat. Ein bohrender elektronischer Beginn, grellfarbige Akkordmassen und wilde Schlagzeugexzesse entfalten diese Dramatik.

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