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Kultur: Kapitalisten im Saloon

Theatertreffen: Brechts „Johanna“ aus Zürich.

Aus Zürich zum Theatertreffen eingeladen wurde Sebastian Baumgartens Version von Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“. Im Programmheft sagt der Regisseur, der bei Einar Schleef und Ruth Berghaus gelernt hat, er mache „ein Theater, das ohnehin stark vom Brecht geprägt ist“. Was damit genau gemeint ist, sagt er nicht, wahrscheinlich der V-Effekt. V wie Verfremdung. Wenn man mit diesem V unterm Arm zum Beispiel einem Ibsen zu Leibe rücke, ergäbe sich eine interessante Reibung. Und wenn man Brecht selbst aufführt? „Diese Reibung hebt sich hier auf.“ Da hat der Regisseur wahr gesprochen. Dem Abend fehlt tatsächlich so etwas wie Reibung. Alles andere, was ihn interessant machen könnte, auch. Zum Beispiel eine Haltung zur Frage, ob und wenn ja, was die Wirtschaftskrise und die kapitalistischen Mechanismen von damals mit dem Heute zu tun haben.

Baumgarten spielt die Geschichte um die naive Heilsarmistin Johanna, die den Arbeitern im Kampf gegen den Fabrikbesitzer Mauler helfen möchte und sich von ihm dabei instrumentieren lässt, einfach nach. Bettet seinen musealen Historismus allerdings in ein grelles Ambiente, in dem sich das V der Verfremdung schnell als das K von Karikatur und Klamotte entpuppt. Das Ganze spielt in einem Saloon, in dem die Kapitalisten wie Cowboys daherschleichen, die Missionssoldaten der „Schwarzen Strohhüte“ riesige mexikanische Sombreros tragen und durch allerlei Einblendungen und einen Abspann zum Schluss an Brechts Liebe zum Film erinnert wird. Aber warum wird eine Schauspielerin mit ausgestopftem Po und großen Lippen zum klimperäugigen Klischee einer Farbigen geschminkt? Warum tragen bald alle hautenge Ganzkörperstrumpfhosen, in denen zum Schluss sogar die Köpfe verschwinden, so dass die Figuren langsam zu lustig bunten Sexpuppen mutieren?

Es herrscht die Assoziationslogik einer einfältigen bildverliebten Opernregie: ein paar Anspielungen raushauen – den Rest erledigen dann schon die Sänger. Aber die Grimassen und Übertreibungen der Schauspieler machen die Sache auch nicht besser. Andreas Schäfer

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