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Kultur: Kapitalistischer Kreuzweg

Absturz der New Economy: Biljana Srbljanovics „God save America“ in Wien

Eben noch besser bezahlt als der Präsident der Vereinigten Staaten, ist Karl Roßmann jäh aus dem Job gefallen und taumelt nun dem sozialen Ende entgegen. Die Konten sind gesperrt, die Miteigentümer wollen ihn aus seinem sündteuren Apartment hinauswerfen.

Was sich in dieser Kurzfassung wie ein Exposé zu einem bürgerlichen Drama liest, kommt in Biljana Srbljanovics Stück „God save America“ allerdings als Nummernrevue daher. Zum Drama fehlen den Figuren Tiefe und Charakter. Auch das könnte mehr als nur kurzweilige Unterhaltung bieten, hätte Karin Beier ihre Inszenierung des im vergangenen Jahr in Belgrad uraufgeführten Stücks am Wiener Akademietheater nicht nur schmissig inszeniert, sondern auch entsprechend konsequent besetzt. Doch da liegt das Problem, so routiniert die Darsteller auch spielen mögen.

Michael Wittenborn als Karl ist ein zergrübelter Phlegmatiker, der in den Glanzzeiten der New Economy – auf deren armseliges Ende die Ende 2002 in New York beheimatete Autorin anspielt – allein schon seines unglamourösen Alters wegen gefeuert worden wäre. Der Kellner, dem als Eintreiber offener Rechnungen eine schlichte, aber dramaturgisch wichtige Rolle zukommt, ist mit Michael Gempart in jedem Wiener Beisl zu Hause, gewiss aber nicht in einem New Yorker Designer-Restaurant. Das Feinkostmädchen schließlich, dem Karl nach dem Eingeständnis seines beruflichen Scheiterns gegen Ende des Stücks einen linkischen Flucht- oder auch Heiratsantrag macht, um es sogleich sitzen zu lassen, stammt mit Alexandra Henkel geradewegs aus dem Gutmenschentum des Berliner Musicals „Linie 1“, aber nicht aus der mit ewigem Betrug geschlagenen Unterschicht, egal ob der Neuen oder der Alten Welt. Bei Horvath wäre nachzulesen, wie eine solche Figur „aus dem Volke“ glaubwürdig gezeichnet werden kann.

So bleibt als darstellerischer Held des Abends Nicholas Ofczarek in der Rolle des Daniel. Er gibt Karls vermeintlich besten Freund gerade so ignorant und ordinär, wie ihn die Autorin als Gegenbild zu ihrem feinsinnigen Karl angelegt hat. Er passt auch, anders als Karl, wunderbar in das grellmoderne Bühnenbild von Thomas Dreißigacker. Dass Daniel an einer Überdosis Kokain krepiert und das auch noch vor den Augen des russischen Flittchens Irene (gleichfalls überzeugend: Christiane von Poelnitz), passt genau ins Melodram. Weniger passend seine Frau Duffy, die Vaters Geld hütet und von Regina Fritsch als zwar praktisches, aber nicht die Spur mondänes oder auch nur zynisches Eheweib gegeben wird.

So gehen die 23 Stationen eines kapitalistischen Kreuzwegs dahin, an deren Ende Karl von einer U-Bahn überrollt wird. Zuvor schon hatte er auf dem für ihn bis dato fremdem Terrain des Untergrunds reichlich symbolistische Visionen gehabt. Gut zwei Stunden dauert das Stück; allein schon des slapstickhaften Bühnenumbaus halber stets kurzweilig, doch niemals so, dass man ein tieferes Interesse an den Figuren gewänne. Welchen Faux-pas, welches Fettnäpfchen die 34-jährige Autorin ihre Figuren als nächstes ansteuern lässt – wenn etwa Karl beim elegant-schmierigen Doorman Michael Masulas aufläuft wie ein unerfahrener Pennäler –, das allein hält die Neugier des Zuschauers wach.

Nachdem Biljana Srbljanovic mit ihren Stücken als Zeitgenossin des serbischen Niedergangs Aufsehen erregt hat, ist dieser zweite Teil ihrer USA-Erlebnisverarbeitung ein dramatisches Leichtgewicht; dies auch ungeachtet der behaupteten Verwandtschaft ihres Karl Roßmann zum namensgleichen Helden von Kafkas Romanfragment „Amerika“. Es bleibt jedenfalls in Karin Beiers Regie ein politisch überpudertes Boulevardstück – und zieht so schnell vorbei wie die New Economy, die ja tatsächlich keine Schicksale hervorgebracht hat, sondern nur Klischees.

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