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Politische Literatur: Katerstimmung am Kap

Ein Band versammelt Texte von führenden südafrikanischen Intellektuellen, die mit Kritik am eigenen Land nicht sparsam sind.

Bücher westlicher Autoren über Südafrika gibt es mehr als genug. Deshalb hat Renate Wilke-Launer, die zweifellos zu den besten Kennerinnen des Landes zählt, in ihrem Band „Südafrika – Katerstimmung am Kap“ neben eigenen Texten auch Beiträge von Südafrikanern selbst zusammengetragen, von Autoren, die allesamt zu den führenden Intellektuellen Südafrikas zählen. Neville Alexander etwa, Jonny Steinberg und Njabulo S. Ndebele. Antjie Krog, eine weiße Journalistin, Schriftstellerin, Farmerstochter und Antiapartheidaktivistin, beschreibt, wie sich das Leben in ihrer Heimatstadt Kroonstad im burischen Free State seit dem Ende der Apartheid 1994 verändert hat. In Gesprächen mit alten Bekannten und Weggefährten stellt sie fest, dass sich hier alle als Verlierer fühlen – weiße Farmer ebenso wie schwarze Freiheitskämpfer. Der Traum einer afrikanischen Renaissance sei zerplatzt, stellen ihre schwarzen Freunde resigniert fest. Denn: „Die Regierung ist nicht in der Lage gewesen, daraus eine alltagstaugliche Vision für die Schwarzen zu machen, von den Weißen ganz zu schweigen.“

Der schwarze Johannesburger Professor William Gumede analysiert die politische Kultur unter der früheren Freiheitsbewegung und heutigen Regierungspartei ANC, die er als gefährliche Mischung aus Zensur und Selbstzensur wahrnimmt. Nach 1994 sei ein Großteil der Intellektuellen von der Regierung absorbiert und damit quasi „demobilisiert“ worden, schreibt er. Dies habe zu einem gefährlichen zivilgesellschaftlichen Vakuum geführt. Und Kritik werde seither weder innerhalb noch außerhalb des des Machtapparats geübt. Ausnahmen gibt es freilich, wie die Beiträge von Moeletsi Mbeki, ein Bruder von Ex-Präsident Thabo Mbeki, und Mamphela Ramphele, Kampfgefährtin der Freiheitslegende Steve Biko, zeigen. Eine gnadenlosere Abrechnung mit den neuen schwarzen Eliten und der schwarz-dominierten Bürokratie hat man wohl selten gelesen. Das zeigt: In einer Zeit, in der nicht nur in Südafrika die Grenzen zwischen Erster Welt und Dritter Welt verschwimmen, darf man den Süden getrost für sich selbst sprechen lassen.

Renate Wilke-Launer (Hrg.): Südafrika. Katerstimmung am Kap. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2010. 252 Seiten, 24,90 Euro.

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