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Dönerwetter. Ibo (Robert Neumann) und Titzi (Nina Reithmeier) wollen heiraten - ihre Eltern haben da noch ein paar Fragen.

© David Baltzer/ZENIT

"Kebab Connection" im Grips-Theater: Kung-Fu oder Kinderwagen

Zeitlos charmant: Im Grips-Theater bringt Anno Saul seinen Film „Kebab Connection“ auf die Bühne - und zeigt, wie wenig alle in der Zwischenzeit geführten Integrationsdebatten dem Stoff aus dem Jahr 2005 geschadet haben.

Die Imbissbude hat sich in die Todeskammer der Shaolin verwandelt. Es tobt ein gnadenloser Fight um die letzte der tropfenden Teigtaschen. das Motto: „Für zwei handvoll Döner!“ In Anno Sauls Erfolgskomödie „Kebab Connection“ von 2005 träumt der junge Bruce-Lee-Fan Ibo davon, den ersten deutschen Kung-Fu-Film zu drehen. Bei den Produzenten tritt er damit nicht gerade offene Türen ein, aber immerhin darf er als Fingerübung schon mal Werbung für den „King of Kebab“-Laden seines Onkels Ahmet drehen. Diese Kinospots sind bald Kult im Kiez, Ibo wird als der Steven Spielberg des Köfte- und Kutteln-Genres gefeiert.

Regisseur Anno Saul, der „Kebab Connection“ jetzt fürs Grips-Theater adaptiert hat, bewahrt die Frische und den Witz seines auf einer frühen Drehbuchidee Fatih Akins basierenden Hits. Und das nicht nur, weil die Kampfchoreografien in stilechter Theater-Slowmotion sitzen. Die Geschichte erweist sich als zeitlos charmant und robust gegenüber den diversen Migrationsdebatten, die in der Zwischenzeit übers Land gezogen sind. Das liegt auch daran, dass die „Komödie mit Hintergrund“ (so der Untertitel) schon im Erscheinungsjahr erfreulich souverän den Krampf der Kulturen vermieden und den jungen Deutschtürken Ibo als sympathischen Spinner von nebenan gezeichnet hat. Multi-Kulti-Normalität eben.

Robert Neumann gibt im Grips einen sympathischen Träumer in Jogginghose und Drachenjacke, der seiner Freundin Titzi (Nina Reithmeier) vollendet zu schmeicheln versteht: „Du bist die einzige Frau, die mich geil auf Döner macht.“ Bald allerdings wird Ibos Strahlemann-Gewissheit erschüttert: Titzi eröffnet ihm, dass sie schwanger ist. Für die beiden Jungverliebten eine Katastrophe. Ibo fühlt sich dem Windelwechseln weit weniger gewachsen als der Kampfkunst, Titzi bereitet sich gerade als Julia auf die Schauspielprüfung vor und sieht ihre dramatischen Tode in weite Ferne rücken. Auch die Eltern reagieren wenig euphorisch. Ibos türkischer Vater (Thomas Ahrens) fällt fast vom Glauben ab, hat er dem Jungen doch von Kindesbeinen an eingeschärft, dass er zwar eine deutsche Freundin haben, sie aber nicht schwängern darf. Und Titzis Mutter (Katja Hiller) stellt die wegweisende Frage: „Hast du schon mal einen Türken gesehen, der einen Kinderwagen schiebt?“ Ibo jedenfalls fällt als Freund aus der Rolle. Es braucht schon den Auftritt des leibhaftigen Bruce Lee (Paul Jumin Hoffmann), um den Jungen zur Vernunft zu bringen: „Geh in einen Hechelkurs“, rät die Todeskralle zur Geburtsvorbereitung.

Auf der mit Werbebannern à la „Hong Kong“ und „Lee“ umringten Zwei-Etagen-Bühne von Maria-Alice Bahra und Jan A. Schroeder lässt der Theaterdebütant Anno Saul die Szenen nahtlos-elegant ineinanderfließen. Was im Original der Schnitt erledigt, wird hier mit den Mitteln des Theaters besorgt, mit raschen Rollen-, Kostüm- und Lichtwechseln und Live-Musik-Einsatz. Am Grips haben sie mit Sönke Wortmann („Frau Müller muss weg“) ja bereits beste Erfahrungen mit Filmern gemacht, auch Saul erfüllt die Erwartungen. Sicher, gerade im zweiten Teil hätten ein paar Kürzungen nicht geschadet. Aber vor allem das einnehmende Spiel von Robert Neumann und Nina Reithmeier hält einen bis zum Schluss gebannt. Wie überhaupt das Grips-Ensemble sich einmal mehr als sehr vital und wandlungsfähig erweist. Dass hier keine originalen Deutschtürken auf der Bühne stehen, ist dabei lässlich, den authentischen Hintergrund einzuklagen, würde ja gerade Fixierung darauf bedeuten. Wobei natürlich herkunftsbunte Ensembles jedem Theater gut zu Gesicht stehen.

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