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Kultur: Kein und Aber

Peter von Becker begleitet Gerhard Schröder nach Verona Ist der Kanzler denn ganz von Sinnen? Gerade hat er seinen Jahrhundertsommer in Hannover gehabt, da zieht es Gerhard Schröder doch wieder nach Italien.

Peter von Becker begleitet

Gerhard Schröder nach Verona

Ist der Kanzler denn ganz von Sinnen? Gerade hat er seinen Jahrhundertsommer in Hannover gehabt, da zieht es Gerhard Schröder doch wieder nach Italien. Nächste Woche will er in Verona sein und sich in der Arena die feurige „Carmen“ anschauen. Im Regen.

Im Regen? Jawohl, das sagen wir dem Kanzler als leidenschaftliche Leser der „Süddeutschen Zeitung“ voraus. Und die „Süddeutsche“, die so heißt, weil sie in einem Vorort von Italien erscheint, also gleichsam nur einen Katzensprung vor Verona, sie muss es doch wissen. Jedenfalls haben wir vor einigen Jahren an einem überirdisch strahlenden Sommertag am Gardasee in der „Süddeutsche Zeitung“ (vulgo SZ) geblättert und wollten zur Bestätigung der Urlaubsfreude mal sehen, wie gerade das Wetter in Berlin ist. Ein Blick auf die SZWetterseite: Berlin heiter, Verona Schauer. Ein Blick zum Himmel und hinüber zu den Hügeln, hinter denen die liebliche Stadt der Arena und der Julia lockt – kein Wölkchen. So blieb es auch die folgenden Tage, und jeden Tag meldete die SZ: Verona Schauer. Dabei gab es eigentlich nur Verona Feldbusch und Verona Sommer (oder so ähnlich). In der SZ aber: immerfort Verona Schauer. Und so geht das seitdem an schätzungsweise 300 Tagen im Jahr; auch Anfang dieser Woche, da Italien unter der Jahrhundertdürre ächzt, stand in der „Süddeutschen“: Verona Schauer, 35 Grad. Eine Exklusivmeldung.

Kein Wunder bei so viel heißem Regen, dass die Münchner, die früher gerne die Brennerautobahn verstopft haben, inzwischen nicht mehr an den Gardasee fahren. Sondern an den Maschsee. Oder nach Rügen. Während Carmen, die feurige Andalusierin, im Sumpf der Arena di Verona längst versunken ist; und Romeo müsste heute ein Schwimmer und kein Springer mehr sein, weil seiner Julia das Wasser schon am Balkon steht. Oder sitzt da in der SZ-Wetterredaktion wirklich ein Frosch, also ein Liebhaber der Nässe, oder, wenn nicht ein Wahnsinniger oder Übersinnlicher, dann ein Musikliebhaber? Ein enttäuschter, dem ein Sommergewitter einst die „Aida“, die „Carmen“ oder den „Rigoletto“ in der römisch-veronesischen Arena ertränkt hat – und der nun mit seiner symbolischen Sintflut Rache nimmt?

Wie auch immer, nach dem auf alle Fälle feuchten, weil blutigen Ende der „Carmen“will sich der Kanzler dann in Verona zu einem intimen Abendessen mit EU-Präsident Prodi und Ministerpräsident Berlusconi treffen. Um hierbei ein letztes Mal im Bild zu bleiben: Das klingt wie aus dem Regen in die Traufe. Schon ein intimes Treffen der Busenfreunde P. und B. stellen wir uns ja mindestens so herzlich vor wie ein Rendezvous zwischen Scharon und Arafat. Für den deutschen Italienliebhaber, als Ehrengast in der Mitten, ist das also eine tolle Entspannungsübung. Und als Reiselektüre empfehlen wir ihm ein neues Bändchen von Gerhard Polt, den es bei seinen „Urlaubsimpressionen“ (Untertitel) auch am liebsten in den satirischen Süden zieht. Dort erklären deutsche Gäste den Ureinwohnern, dass es bei uns zu Hause so sauber sei, dass man „vom Boden essen“ könne. „Mangiare terra!“ Was südliche Kulturvölker etwas irritiert, weil man dort ja seit geraumer Zeit vom Tisch isst. Gehobenere Wohlstandsbürger erzählen allerdings auch mal von „Wohltätigkeitsessen“, einem „Lobster-Festival, äh, zugunsten der Tiramisu-Geschädigten“, und der kürzeste Ferienbericht lautet so: „Wir haben heuer mal eine Weltreise gemacht. Aber ich sag’s Ihnen gleich: Da fahren wir nimmer hin.“ Dieser letzte Satz ist zugleich der Buchtitel, erschienen bei Kein & Aber. Auch dieser Verlagsname ergibt ein gutes Motto. Vor allem für Politiker nach den Sommerferien.

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