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Kultur: Keine Anderen

Doppel-Ehrung: Maren Ade und Birgit Minichmayr

Ein langer Blick, die Luft vibriert, gefühlte, gehaltene, ausgehaltene Sekunden – und eine Liebeserklärung. Birgit Minichmayr bedankt sich bei ihrer Regisseurin Maren Ade für die so besondere gemeinsame Zeit: „Ich liebe dich so.“ Und Maren Ade, roter Pagenkopf, leuchtende Augen, hört zu, hält den Atem an, schluckt und kämpft mit den Tränen. Was für eine schöne Wahl, der Darstellerinnenpreis für eine Schauspielerin, die sich, in „Alle Anderen“, zwischen Verunsicherung und Liebesbedürfnis, zwischen dem äußeren Druck zur Anpassung und dem inneren, so ganz anders gestimmten Lebenswillen furios zu sich selbst gespielt hat. Und die auf der anschließenden Pressekonferenz die zudringlichen Fotografen mit so herrlich geerdeter Energie in die Schranken weist.

Es ist das vierte Mal, fast in Serie, dass deutschsprachige Schauspielerinnen den Silbernen Bären für die beste Hauptdarstellerin geholt haben: Julia Jentsch („Sophie Scholl“, 2005), Sandra Hüller („Requiem“, 2006) und Nina Hoss („Yella“, 2007), mit ihren herben, unbedingten, kompromisslosen Frauenfiguren. Und jetzt steht da die Österreicherin Birgit Minichmayr, die mit ihrer rauchig-herben, tiefen Stimme dem Team, ihrem Schauspielpartner Lars Eidinger und eben ihrer Regisseurin so glaubhaft dankt, dass man ahnt, dass die Dreharbeiten zu diesem Beziehungsforschungsfilm eben nicht nur Dreh, sondern auch Selbsterkundung waren und sind – nicht nur für die Beteiligten, sondern auch für die Zuschauer. Was für eine schöne Wahl.

Und doch war es nur das Vorspiel. Der Große Preis der Jury wird geteilt, ebenbürtig, verkündet Jurypräsidenten Tilda Swinton strahlend: Es gewinnt einerseits der schon mehrfach ausgezeichnete „Gigante“ von Adrián Biniez aus Uruguay, die behutsame Annäherung eines schüchternen Wachmanns an eine junge Frau – der Regisseur ist so überwältigt, dass ihm nur noch der Ruf nach der Mutter einfällt.

Und dann, ex aequo, ein weiterer Silberner Jury-Bär an Maren Ade, für ihren Film „Alle Anderen“. Die junge Regisseurin steht auf, geht auf die Bühne, ans Mikrofon, dankt, leise, ungeheuer ernst, sehr beherrscht und gleichzeitig hochgradig ungeschützt. Man bebt und zittert mit, dass sie ihre Rede beherrscht zu Ende bringt, und braucht doch nicht zu bangen, denn diese 32-Jährige, die sich mit nur zwei kleinen Filmen so zielstrebig wie tief in den deutschen Gegenwartsfilm eingeschrieben hat, weiß genau, was sie tut, und wie sie wirkt und dass sie viel riskiert, so ganz ohne Maske. Leise dankt sie der Jury, die sie bewundert, dankt ihrer Produzentin Janine Jackowski, die ihr in den letzten zehn Jahren die Treue gehalten hat, dankt ihrem Lebensgefährten Ulrich Köhler, selbst auch Regisseur, ohne den dieser Film nicht entstanden wäre. Und alle weinen, auch Maren Ade – fast. „Ich bin sehr glücklich, auch wenn ich nicht so wirke“, sagt sie zum Schluss. Glücklich sind alle anderen, die es miterlebt haben. Christina Tilmann

Christina Tilmann

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