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Janny van der Molen erzählt von der Faszination des Denkens.

© Gabriel Verlag

Kerngedanken großer Philosophen: Von der Lust am Denken

Janny van der Molen diskutiert in ihrem Roman "Herrn Swart brummt der Schädel oder wie das Denken im Kopf die Richtung wechseln kann" die großen Fragen des Lebens

Für Sven, Sanne, Loubna, Wouter und die anderen in der Klasse beginnt das Schuljahr gleich mit einem neuen Schulfach. Nach seinem ersten Blick in das Schulbuch für Philosophie meint Sven jedoch nur: „Voll öde!“ Und dann betritt Herr Swart die Klasse, der mit seinem langen Hals und dem altmodischen braunen Anzug ohne Weiteres eine Comicfigur abgeben könnte. Als Erstes verkündet er, dass er von dem Philosophiebuch gar nichts hält und deshalb darum bittet, es gleich wieder wegzupacken. Auch die Schreibsachen findet er nicht nötig. Stattdessen sagt er: „In dieser Stunde braucht ihr nur eins: euren Kopf. Was ich für das Jahr vorhabe, ist, zusammen mit euch nachzudenken. Ich will euch von Menschen erzählen, die nachgedacht haben. Ich will euch berichten, was sie dachten. Und ich freue mich darauf, zu erfahren, was ihr darüber denkt. Mehr nicht.“

Im niederländischen Original eher knapp mit „Grote Gedachten – verhalen over filosofie“ betitelt, wird die deutsche Übersetzung dieses Buches von Jenny van der Molen weit ausführlicher, aber dennoch peppiger als Roman mit dem Titel „Herrn Swart brummt der Schädel oder wie das Denken im Kopf die Richtung wechseln kann“ vorgestellt.

Der Gattung „Roman“ wird darin insoweit entsprochen, als das, was Herr Swart von verschiedenen Philosophen zu erzählen weiß, so geschickt wie eingängig in Unterrichtsgespräche eingebunden ist, die wiederum mit Rahmenerzählungen aus dem Alltag der Schüler vor und nach den Schulstunden korrespondieren. Handlungsort der Rahmenerzählungen ist eine Schule in der Universitätsstadt Utrecht, in der Herr Swart mit seiner Klasse auch Exkursionen zu einstigen Wirkungsstätten einiger Philosophen unternimmt. Hingegen werden weder die Schulart noch die Klassenstufe der Schüler genannt. Davon ausgehend, dass deren Alter etwa bei 14 Jahren liegen dürfte, sind die Schulstunden zwar eher idealtypisch gezeichnet mit einem Herrn Swart, der ein wahrhaft vorbildlicher Lehrer ist und seine Schüler stets aufs Neue zu motivieren vermag – dennoch wirkt das nicht überzogen, sondern noch im Rahmen des wünschenswert Möglichen. Und damit gelingt es der Autorin überzeugend, zuweilen mehrere Jahrhunderte oder gar Jahrtausende alte Gedankengebäude auch zur Sache von Jugendlichen in der sie umgebenden Wirklichkeit von heute zu machen.

Van der Molen nutzt die Form des Dialogs

Den Kapitelüberschriften „Idee & Materie“, „Freiheit & Demokratie“, „Körper & Seele“, „Mann & Frau“, „Gut & Böse“ und „Leben & Tod“ stellt die Autorin einen „Prolog“ voran, in dem sie zur Auswahl der von ihr angesprochenen Philosophen schreibt: „Es hätten viel mehr sein können oder auch andere. Und von den vielen Gedanken, die sie sich machen, hätte ich auch andere auswählen können. Aber das hier ist ja kein Lehrbuch und beansprucht daher auch nicht, besonders ausführlich oder gar vollständig zu sein.“

Stattdessen stellt sie sehr gut angebahnt einige wesentliche Kerngedanken von Sokrates, Platon, Aristoteles, Thomas von Aquin, Augustinus, Descartes, Mill, Locke, Spinoza, Kant, Marx, Nietzsche, Hannah Arendt und Julia Kristeva vor.

„Sofies Welt“ von Jostein Gaarder mag mit ihren „Geheimnissen“ noch ein wenig mehr der Romanform Rechnung getragen haben, aber dafür nutzt Janny van der Molen mit ihren in den Vordergrund gestellten Unterrichtssituationen die dem Philosophieren sehr angemessene Form des Dialogs. Hierfür bringen die Schüler sehr unterschiedliche Vorerfahrungen ein: So fühlt sich beispielsweise Loubna anfangs als strenggläubige Muslima von all den neuen Gedanken bedroht, Wouter denkt vor allem an den neuen Lebenspartner seiner Mutter, den er nicht ausstehen kann und Ilse wird davon erschüttert, ihren alten Nachbarn zusammengeschlagen vor seiner Haustür aufzufinden. Derart nah bei den Jugendlichen zeichnet das Buch eine Sprachregelung aus, die tatsächlich auch bereits von vielen 14-jährigen mit Interesse nachvollzogen werden kann. Und die ansprechenden Illustrationen von Hanna Hildenbrand und Steef Lifting leisten hier noch ein Übriges, etwaige Hürden abzubauen.

Eines muss allerdings noch richtiggestellt werden: Herrn Swart brummt in diesem Roman zu keiner Zeit der Schädel! Doch „wie das Denken im Kopf die Richtung wechseln kann“ vermittelt er nicht nur seinen Schülern großartig.

– Janny van der Molen: Herrn Swart brummt der Schädel oder wie das Denken im Kopf die Richtung wechseln kann. Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf. Gabriel Verlag, Stuttgart 2015. 232 Seiten. 16,99 €. Ab 14 Jahren.

Weitere Rezensionen finden Sie auf unserer Themenseite.

Ulrich Karger

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