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Kultur: Kevin als Kanzler

Gegen IT-Geräte und maulende Rentner: Pigor & Eichhorn in der Bar jeder Vernunft

Am Anfang steht der Soundcheck. Pigor spaziert im ungewohnten Schlabberlook und vor allem ohne seine charakteristische Frisur – jede der verbliebenen Fransen strikt nach vorne gegelt – durchs Publikum und tut so, als würde er noch das Mikrofon testen, spricht mit Eichhorn und dem Tontechniker, streut dabei aber schon das ein oder andere Witzchen ein. Das ist zwar nicht der originellste Einstiegsgag, er tut aber wohl seinen Zweck, wenngleich das Publikum Pigor & Eichhorn bei der Premiere ihres fünften Programms „Pigor singt. Benedikt Eichhorn muss begleiten. Volumen 6“ in der Bar jeder Vernunft ohnehin von Anfang an zu Füßen liegt. Was war noch mal mit dem nie erschienen Volumen 5 passiert? Pianist Eichhorn wollte sich nach vier Programmen als unterdrückter Begleiter aus der Tyrannei seines Chefs befreien und ein eigenes Programm aufführen – und fiel gehörig auf die Schnauze. Diesen Reinfall muss er sich in Volumen 6 nun vom tadelnden Pigor unentwegt vorhalten lassen.

Alles beim Alten also: Die Rollen sind bei dem ungleichen Gespann, das seit zwölf Jahren gemeinsam auf der Bühne steht und 1999 den deutschen Kleinkunstpreis gewann, nach wie vor klar verteilt. Einerseits der dominante, einnehmende Pigor mit seinem überzeichneten Mienenspiel, und andererseits der schüchtern-sympathische Understatement-König Eichhorn am Flügel, der musikalisch noch vom ominösen, hornbrillentragenden Elektroniker Ulf unterstützt wird.

Wenn er nicht gerade seine Kollegen auf der Bühne gängelt, spöttelt Pigor in bissigen Liedern zwischen Chanson und Hip-Hop über alltägliche Phänomene wie außergewöhnliche Beobachtungen, über hustendes Publikum, in Massen heranwachsende Kevins und die nervtötenden Erschwernisse beim Gebrauch von IT-Geräten. Das ist unterhaltsam, aber auch ein bisschen mutlos, sind Jugendliche, die ihre Hosen in den Kniekehlen tragen und von technischen Geräten überforderte Ältere doch allzu leichte Ziele, einfach generierte Lacher. Da kann in der Generation-40-plus-Zielgruppe wirklich jeder mit.

Interessanter wird’s, wenn Pigor mit klugen, zuweilen richtig boshaften Zeilen seinen Zuhörern den entlarvenden Spiegel vorhält, wie etwa im süffisanten Stück „Maulende Rentner“. So mancher wird sich bei der Beschreibung von ewig alles miesmachenden Deutschen schon ertappt gefühlt haben. Zu mehr als leichtem Sticheln kommt es aber nicht. Klar, sonst wäre es ja auch kein gutes Entertainment mehr. Michael Luger

Michael Luger

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