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Kultur: Kicker und Kalauer

John von Düffels „Alle sechzehn Jahre im Sommer“ am Hans Otto Theater Potsdam.

Also, als der Hans-Helge 1974 in dieser Charlottenburger WG wohnte, du weißt schon, der, der heute Kunstprofessor in Karlsruhe ist, also da war er ja noch mit der Magda zusammen. Aber eigentlich hat er sich immer nach Sabine gesehnt, der Freundin von seinem Mitbewohner Jochen, der später so viel Geld mit ’nem pathologischen Institut gemacht hat. Von Jochen bekam Carlo damals immer das Zeug, mit dem er gedealt hat, bis er 1990 mit dem Gebrauchtwagenverkauf an die Ossis endlich auf einen grünen Zweig kam. Damals hatten Carlo und Elke ja schon drei Kinder. Na ja, und dann wohnte da auch noch die Heidrun, die immer so politisch korrekt gequatscht hat und dauernd das WG-Plenum einberufen wollte, weil es angeblich Diskussionsbedarf gab. Die ist ja später Schulrektorin geworden.

Eine „Trilogie des veränderten Lebens“ nennt John von Düffel im Untertitel sein neues Stück „Alle sechzehn Jahre im Sommer“. Darin setzt er die Fußball-Weltmeisterschaften von 1974, 1990 und 2006 als historische Wegmarken, um einer Freundesclique beim Leben, Lieben, Leiden zuzuschauen. Und gleichzeitig ein Sittenbild der Bundesrepublik zu zeichnen. Nach drei Inszenierungen im westdeutschen Raum wurde die Charlottenburg-Saga nun erstmals auf dem Territorium der Ost-Bundesländer szenisch umgesetzt, von Tobias Wellemeyer, dem gebürtigen Dresdner und Intendant des Potsdamer Hans Otto Theaters. Die Produktion wird dabei vor allem zum Triumph der Maskenbildner: Wie Andrea Thelemann als Heidrun, Jon-Kaare Koppe als Jochen, Eddie Irle als Carlo und vor allem aber Marianna Linden als Sabine durch die Jahrzehnte altern, von Tanja Hoffmann jeweils in zeitgeschmacklich perfekt passende Klamotten gewandet, gelingt verblüffend gut. Und wenn Wolfgang Vogler zwei Akte lang den Künstler mimt, bevor er im dritten als junger spanischer Geliebter der geschiedenen Sabine mächtig Porzellan zerschlägt oder Eva Bay erst eine Hausfrau und später ihre eigene schwäbische Schwiegertochter ist, dann ist das höchst vergnüglich anzusehen.

Flott inszeniert Wellemeyer die Kabalen in der Dachgeschosswohnung mit Funkturmblick, die ihm Harald Thor gebaut hat, es wird viel gelacht, über Spontisprüche ebenso wie Ossiwitze, über wortspielerische Kalauer wie bittere Wahrheiten. Und doch wirkt der fast dreistündige Abend zu lang. Weil sich John von Düffel nicht entscheiden mag, ob er hier nun mit einer leichten Komödie unterhalten oder doch das große Gesellschaftspanorama entfalten will.

Viel, sehr viel packt er in die Momentaufnahmen aus den drei WM-Sommern, deren Spitzenspiele von Günter Jauchs Stimme aus dem Off kommentiert werden. Das enorm wandlungsfähige Ensemble des Hans Otto Theaters durchlebt sie leidenschaftlich, und kann trotzdem nicht durchgängig fesseln. Damit bleiben Chancen gewahrt, dass Düffels streitbare Wohngemeinschaft bald in der Hauptstadt theatralisch reüssiert, da wo sie eigentlich hingehört, beherzt gestrafft, am Charlottenburger Boulevard. Frederik Hanssen

Wieder am 13., 14., 22. und 24. April

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