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Kultur: "Kinder als Auftraggeber": Mal doch mal für mich!

Florian Karsch war nicht gerade begeistert, als ihm seine Eltern, die mit Lyonel Feininger befreundet waren, einen schnittigen D-Zug aus bemaltem Holz mitbrachten. Eine Holzeisenbahn für einen Zehnjährigen!

Florian Karsch war nicht gerade begeistert, als ihm seine Eltern, die mit Lyonel Feininger befreundet waren, einen schnittigen D-Zug aus bemaltem Holz mitbrachten. Eine Holzeisenbahn für einen Zehnjährigen! Und dann nur mit aufgemalten Rädern! Heute ist er froh über diese Kostbarkeit, die in der Akademie der Künste in der Ausstellung "Kinder als Auftraggeber" zu sehen ist. Feininger hatte die Bahn 1913 gefertigt; der Erste Weltkrieg verhinderte die Produktion. Heute ist sie ein Unikat, genau wie der hölzerne "Gruwelmann" von Ernst Barlach, den er 1908 für seinen Sohn Nikolaus als Schutzgeist geschaffen hatte. Oder Hannah Höch, deren "Boa Perlina" ein Bilderbuch mit witzigen Versen ziert. Alvar Aalto entwarf 1931/32 einen blau-gelben Freischwinger aus Holz für Kinder. Die Kuratorinnen Renate Schubert und Gabriele Struck haben von 100 Akademie-Mitgliedern aus allen Abteilungen Kunstwerke, Texte, Fotos, Partituren, Lieder und Modelle zusammengetragen, die für Kinder gefertigt wurden.

Konsequent wurde diese Ausstellung in erster Linie für die Kleinen gestaltet. Sechs Baukasten-Häuser von Ausstellungsarchitekt Lorenz Dombois beherbergen Künstler-"Wohngemeinschaften", die mit Originalen und Familienfotos vertreten sind. Dass Menzels Tier-ABC nur als Reproduktion ausgestellt ist, hängt mit seiner Lichtempfindlichkeit zusammen. Der Künstler schenkte die Originale ohnehin nicht sofort seiner Nichte und seinem Neffen, sondern gab sie ihnen erst im Erwachsenenalter. Die Bilder waren schon damals kalkulierte Wertanlage. Glücklich, wer einen Künstler in der Verwandtschaft hat. Und dennoch: Der Korbsessel, den Egon Eiermann für seine Tochter flechten ließ, war ihr zu unbequem und dient heute seiner Enkelin als Puppenstuhl.

Besucher im Alter bis zu 15 Jahren dürfendurch die Inszenierungen wuseln: in den Ausstellungs-"Häusern" wie im Schaufenster Puppen und Tiere, Zeichnungen, Bücher und Klanghölzer bestaunen oder einer Komposition von Eisler mit einem Text von Dessau lauschen.

Nach den engen Gassen des ersten Ausstellungssaals hat Agi Dawaachu die Haupthalle in eine Burgenlandschaft aus Pappe verwandelt. Hier treten Achim Freyers Trickfilm-Puppen aus "Heinrich der Verhinderte" auf, für die sich Erwachsene bücken müssen, um sie betrachten zu können. Ein Höhepunkt der Schau ist Hanna Zimmermanns Bühnenbild zu Hans Werner Henzes Kinderoper "Pollicino", die er 1980 auf Bitten der Kinder von Montepulciano komponierte. Durch einen Wald von Vorhängen stößt man auf kostümierte Figuren, bis man vor einem riesigen Schlund mit bananenlangen Zähnen steht, durch den man nur kriechend dem Menschenfresser entkommt.

Das Verdienst dieser Ausstellung im Rahmen der Akademie-Kinderprojekte der letzten Jahre ist es, zum einen Verständnis für Kinder als ein ernst zu nehmendes Publikum zu wecken. Zum anderen werden hier viele Objekte zum ersten Mal gezeigt, an denen auch Erwachsene ihren Spaß haben. Die Kunst verlässt den Bereich des abgehoben Musealen und geht auf die Kinder zu.

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