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Kino: Eine babylonische Gefangenschaft

Im Kino Babylon in Berlin-Mitte herrscht ein bizarrer Streit um höhere Löhne - Ganz schön viel Ärger um ein Kino mit 18 Beschäftigten.

Das Kino Babylon in Berlin-Mitte ist für sein offenes Programm bekannt. Ausgerechnet hier ruft die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union (FAU) seit Monaten zum „Arbeitskampf gegen prekäre Verhältnisse“ auf. Die Gewerkschaft fordert höhere Löhne für Filmvorführer und Servicekräfte. Nun schaltet sich auch das linke Mayday-Bündnis ein und kündigt für morgen eine Kundgebung am Rosa-Luxemburg-Platz an. Ganz schön viel Ärger um ein Kino mit 18 Beschäftigten.

Die FAU hatte Mitte Juni der von Timothy Grossman und Tobias Hackel geleitten Neuen Babylon GmbH einen Tarifvertrag vorgelegt. Bisher kam es zu keinen Verhandlungen. Nach Auskunft des Theaterleiters Jens Mikat erhalten Servicekräfte zwischen fünf und 8,50 Euro pro Stunde, Vorführer acht Euro. Der Stundensatz ist durchaus mit dem anderer Programmkinos vergleichbar. Die FAU fordert für Kassierer und Einlasskontrolleure 11,84 Euro und für Vorführer 14,47 Euro pro Stunde. „Das ist maßlos“, sagt Mikat. Überdies sei die gewerkschaftliche Eigenschaft der FAU nicht zu erkennen. Erst im Januar hatte sich die Gewerkschaft Verdi mit dem Hauptverband deutscher Filmtheater auf einen Tarifvertrag für Kinobeschäftigte geeinigt (der beispielsweise 7,56 Euro für einen Einlasskontrolleur im ersten Berufsjahr vorsieht). Der Betriebsrat des Babylon habe sich aber bewusst für die FAU entschieden, sagt deren Sekretär Lars Röhm.

Etwa 300 Mitglieder hat die anarcho-syndikatistische FAU in Deutschland. Der Lohnkampf im Babylon ist eines ihrer größten Projekte. Theaterleiter Mikat schätzt, dass drei seiner Mitarbeiter der Gewerkschaft angehören. „Eine kollektive Unzufriedenheit unter unseren Leuten kann ich nicht feststellen“, sagt er. Röhm widerspricht: „Neunzig Prozent der Mitarbeiter unterstützen uns“. Sechs bis sieben Angestellte seien aktiv dabei.

Die Gewerkschaft ruft mittlerweile zum Boykott des Filmtheaters auf. Auch am Openair-Kino in Charlottenburg verteilen Mitglieder Flugblätter. Veranstalter ist ebenfalls Timothy Grossman, hier als Geschäftsführer der Kino und Konzerte GmbH, die er neben der Neuen Babylon GmbH betreibt. Die FAU geht davon aus, dass Grossman ausreichend Gewinne erzielt, um den Stundensatz seiner Angestellten anzuheben.

Das Babylon ist ein halb kommunales Kino und bekommt Zuwendungen vom Senat. 2008 waren es laut Jens Mikat 328 000 Euro. „Als Zuwendungsempfänger müssen wir die Zahlen offenlegen“, sagt er. Man könne nachprüfen, dass das Kino keine Gewinne mache. Dass ein paar seiner Mitarbeiter keinen schriftlichen Arbeitsvertrag besitzen, wie die FAU kritisiert, stimme jedoch, räumt Mikat ein.

Die FAU sieht die Politik in der Verantwortung. Die Regierungsparteien hätten die Forderung nach einem Mindestlohn im Programm. „Es ist von Rot-Rot politisch gewollt, dass das Babylon eine Unterstützung durch das Land erhält, um den Betrieb in teurer Citylage überhaupt zu ermöglichen“, sagt Wolfgang Albers von der Linken. Man könne sich jedoch nicht in Tarifangelegenheiten einmischen. „Wir nehmen die Sache aber ernst“, sagt ein Sprecher von Kulturstaatssekretär André Schmitz und kündigt an, in den nächsten Wochen das Gespräch mit Timothy Grossman zu suchen und zumindest als Moderator aufzutreten.

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