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Shahada

© Berlinale

Wettbewerb: Blut, Schweiß, Scherben

Glaubenskonflikte junger Muslime in Berlin: Burhan Qurbanis Debüt "Shahada" ist eben doch ein Film über Religion.

Als wollte er möglichen Widerspruch bereits im Vorwege ausräumen, gibt Regisseur Burhan Qurbani seinem Erstling im Presseheft zwei Dinge mit auf den Weg. „Shahada“ sei „kein Film über Religion“. Und: „Ich wollte Geschichten über Menschen erzählen.“

Nach 89 zu einigen Teilen beeindruckenden Minuten sei mit aller Vorsicht festgestellt: „Shahada“ erzählt drei durchaus kunstvoll verknüpfte Episoden aus dem Leben einer Handvoll Menschen in Berlin. Vor allem aber ist „Shahada“ ein Film über Religion. Er untersucht anhand verschiedener Schicksale von Muslimen nichts Geringeres als die Frage, wie die Anwendung von Religion ins Leben der Menschen hineinwirkt. Wo geht Glauben in Fanatismus über, wo der Islam in den Islamismus, und welchen Stellenwert haben Gefühle, wenn Gesetze angewendet werden wollen oder müssen?

Das klingt ein wenig nach der inneren Aufgabenstellung eines Hochschulfilms, und tatsächlich ist „Shahada“ der Diplomfilm des 29-jährigen afghanischstämmigen Absolventen der Filmakademie Baden-Württemberg. Sein Thema passt ausgezeichnet zu einem Festival, das sich traditionell als politisch versteht und auch in seinen Wettbewerb stets Beiträge brisanten Inhalts eingeladen hat. Vielleicht wäre, mag mancher einwenden, dem Film und damit der Karriere des jungen Regisseurs ein behutsamer Start etwa in der „Perspektive Deutsches Kino“ eher zu wünschen gewesen; im diesjährigen Wettbewerb macht „Shahada“ allemal eine respektable Figur.

Da ist Maryam (Maryam Zaree), die mit den Medikamenten einer befreundeten Krankenschwester eine Fehlgeburt erzwingt und deshalb von massiven Gewissensbissen heimgesucht wird. Dass ihr verwitweter Vater (Vedat Erincin), dem sie sich freilich nicht anvertrauen kann, ein liberal denkender Imam ist, treibt sie umso heftiger in die Selbstgeißelung und in missionarischen Fanatismus.

Da ist der Großmarktarbeiter Sammi (Jeremias Acheampong), der seinen Kollegen Daniel (Sergej Moya) liebt und deshalb in Konflikt mit dem Islam gerät, welchselber – glaubt er – Homosexualität verbietet. Und da ist der türkischstämmige Zivilfahnder Ismail (Carlo Ljubek), den die Schuld umtreibt, bei einem Schusswechsel die Bosnierin Leyla (Marija Skaricic) so verletzt zu haben, dass ihr ungeborenes Kind umkam. Und die Gewissensqualen drücken ihn so sehr, dass er drauf und dran ist, seine junge Familie zu verlassen.

Zur Ent- und Verwicklung der Geschichten setzt Qurbadi bevorzugt auf Drama: Blut, Schweiß, Tränen und zahlreich zerschlagenes Geschirr. Manchmal wirken die in seinem Drehbuch entworfenen Szenen packend, manchmal wird ihr Beweisführungscharakter eher grob offenkundig. Die Schauspieler, mit Ausnahme von Anne Ratte-Polle, die Ismails Frau spielt, sind wenig bekannt und machen ihre Sache zwischen Helfersyndrom, Schuldgefühl und Fanatismus mit aller Frische.

Etwas vergessen? „Shahada“ heißt „Himmelsleiter“ und meint das Glaubensbekenntnis des Islam. „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet.“ Burhan Qurbadi, der sich zur islamisch-schiitischen Gemeinschaft der Ismailiten zählt, mag es so nicht gemeint haben – aber Zweifler an dieser These sehen sich durch seinen Film gewiss gestärkt.

Heute 9.30 Uhr (Friedrichstadtpalast) und 20 Uhr (Urania), 21. 2., 22 Uhr (International)

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