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CITY Lights: Gefallene Götter

frank Noack erklärt, was wirklich Kult ist

Manche Wörter sind so sehr missbraucht worden, dass man sie nicht mehr richtig gebrauchen kann. Superstar ist das jüngste Beispiel. Oder Meisterwerk: Muss man einen Film, nur weil er rundum gelungen ist, als solches bezeichnen? Ist wirklich jeder alte Film ein Klassiker, jeder Publikumserfolg ein Kultfilm? Für Danny Peary, der drei exzellente Bücher über dieses Phänomen verfasst hat („Cult Movies“, Teil 1 bis 3), ist eine Oppositionshaltung die Grundlage für einen Kult. Ein Film wird verrissen, floppt an den Kinokassen, verschwindet im Archiv. Ein paar tapfere Bewunderer kämpfen für seine Rehabilitation, finden Gleichgesinnte, organisieren Vorführungen. So entsteht langsam ein Kult. Doch die Rezeption von Filmen hat sich grundlegend verändert. Die seriöse Kritik bringt mehr Verständnis für Trash und Camp auf als früher, und Liebhaber des abwegigen Kinos haben sich so gut organisiert, dass es den ausgestoßenen, verkannten Film kaum noch gibt.

Zu den Regisseuren, die ihren Außenseiterstatus bewahren konnten, gehört der 1940 geborene Belgier Harry Kümel. 1971 wurde dem Filmjournalisten und Fernsehmann die Großproduktion Malpertuis anvertraut (Sonnabend und Sonntag im Filmkunst 66). Mathieu Carrière irrt durch das Schloss seines Onkels Orson Welles und begegnet verschiedenen Mythen, wie es scheint, sind Götter dazu verdammt worden, auf Malpertuis ein irdisches Dasein zu fristen. Die Mischung aus Horror, Erotik und Surrealismus erwies sich als finanzielles Desaster.

Mehr im Mainstream bewegte sich der heute 75-jährige Brite Richard Lester, der die Beatles auf die Leinwand brachte. Doch mit seiner Endzeit-Satire Danach trieb er 1969 das Publikum scharenweise aus den Kinos (Freitag im Filmkunst 66). Die Zerstörung Londons durch einen Atomkrieg war für ihn kein Ausgangspunkt für einen postapokalyptischen Thriller à la „Mad Max“, vielmehr versuchte er, absurdes Theater auf die Leinwand zu übertragen. Der kulleräugige Komiker Marty Feldman gab hier sein Filmdebüt. Masahiro Shinoda verbindet in Doppelselbstmord in Sonezaki (1969) reale Menschen und Schauplätze mit Elementen des Puppenspiels (Dienstag im Babylon Mitte). Die Zutaten Liebe, Tod und Japan sprechen in der westlichen Welt ein Publikum an, das auf morbide Erotik steht. Hier zieht im wörtlichen Sinne das Schicksal die Fäden.

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