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CITY Lights: Wir sind die Freaks!

Silvia Hallensleben mischt sich unter die Cinemaniacs.

Die Eröffnungsparty ist vorbei. Die Wartezeit auch. Die Leinwand des RegenbogenKinos wird nach fast zweijähriger Umbaupause endlich wieder bespielt. Betrieben wird das Hofkino von einem Kollektiv Kreuzberger Kinoliebhaber. Und so gibt es zum Auftakt gleich zwei Filme, die sich der Leidenschaft zum Kino widmen. Während Uli Gaulkes Comrades in Dreams Kinobetreiber von Ouagadougou bis Nordkorea versammelt, begibt sich Cinemania (R: Angela Christlieb, Stephen Kijak) zu der bizarren Spezies von Cineasten, die ihr Leben der Aufgabe widmen, möglichst viele Exemplare auf der persönlichen Liste gesehener Filme zu akkumulieren. Eine Form des Autismus? Einige der New Yorker Cinemaniacs sehen ihre Leidenschaft als exzessives Stadtneurotikertum, das Abgrenzung gegenüber den Untiefen alltäglicher Banalität mit heftiger Affinität zu europäischen Kultur-Avantgardismen paart: „Culture theory, continental philosophy, film“ heißt es auf der Visitenkarte von Bill.

Der Filmbuff unter den kontinentalen Philosophen ist Slavoj Žižek. Jetzt kommt der slowenische Pop-Lacanist zum zweiten Mal auch als Hauptdarsteller ins Kino. A Pervert''s Guide to Cinema heißt der Panoramaschwenk durch die Filmgeschichte von Clarence Browns „Possessed“ bis „Mulholland Drive“, in dem die Filmemacherin Sophie Fiennes Žižek als allwissenden Analysator in den Filmsets der Klassiker inszeniert. Oder inszeniert sich der Meister in seiner Lieblingsrolle als ungehobelter balkanischer Geistesblitzer selbst? Die psychoanalytischen Ausdeutungen von Hitchcock & Co. sind mittlerweile – auch durch Žižeks eigene Veröffentlichungen – nicht mehr wirklich originell. Amüsant für Cineasten ist die mit vielen Filmclips gestopfte redselige Tour de Force (Freitag im Arsenal und Mittwoch im Babylon Mitte) trotzdem.

Die arbeitslosen Bewohner des ehemaligen argentinischen Erdölstädtchens Mosconi sind das Gegenmodell zum New Yorker Cine-Auto-Neurotismus. Die Sozialhilfe zum Beispiel, Lebensgrundlage mancher der Cineasten, wurde hier zusammengelegt, um sie für Gemeinschaftsprojekte zu nutzen. Auch der Film von Jeanine Meerapfel selbst ist Teil dieser kollektiven Selbstorganisation. Die Regisseurin hat den Arbeitslosen Kameras in die Hand gegeben, um ihren Kampf für die Wiederaneignung ihrer Lebensumstände zu begleiten und die Gesetzesverstöße der Ölmultis zu dokumentieren. Wer sich nicht wehrt, kann nicht gewinnen macht heute Abend – mit Gespräch – in der Akademie der Künste am Hanseatenweg auf das Projekt aufmerksam. Die Kamera in Mosconi filmt derweil weiter. „Diese Geschichte endet nicht hier“, heißt es am Ende von Meerapfels Film.

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