zum Hauptinhalt
Darjeeling

© Fox

''Darjeeling Limited'': Durchs wilde Rajasthan

Suppe für alle: Wes Anderson schickt in 'Darjeeling Limited“ drei Brüder auf Selbstfindungstrip. Ein Hochgenuss.

Drei Männer machen ein Reise. Sie haben schweres Gepäck: Seit dem Tod ihres Vaters haben sich Francis, Peter und Jake nicht mehr gesehen. Jetzt nehmen sie den „Darjeeling Limited“ und fahren zu Mutti in den Himalaja.

Regisseur Wes Anderson („Die Tiefseetaucher“, „Die Royal Tenenbaums“) ist wieder in seinem Element: der Familie. Oder besser: ihrer Unmöglichkeit. Jeder seiner Filme ist eine Variation derselben Idee: Mitglieder wohlhabender Familien werden von Kräften, die sie nicht verstehen, zusammengehalten und auseinandergetrieben. Sie sind gut angezogen, hören Musik aus den Sechzigern, und weil sie reich sind, hat sich ihre Lebensuntüchtigkeit gut ausbilden können: Intimität, Vertrauen und Verantwortung gehen gar nicht.

Peter (Adrien Brody) trägt die alten Sachen seines Vaters auf und fürchtet sich vor der Geburt seines ersten Kindes. Jack (Jason Schwartzman) schreibt autobiografische Geschichten, die nicht autobiografisch sind, und fragt regelmäßig den Anrufbeantworter seiner Exfreundin ab. Francis (Owen Wilson) ist ein Kontrollfreak. Er behält die Reisepässe seiner Brüder ein und lässt Reiseanleitungen für jeden Tag entwerfen und einschweißen. Mutter (brillant: Anjelica Huston) hat die Jungs vor Jahren im Stich gelassen. Jetzt also soll es zu ihr gehen: im Zug, im Bus und zu Fuß; durch Tempel, Basare und das wilde Rajasthan. Am Ende kommt Erleuchtung, aber nur so viel, dass nicht geheult werden muss.

Wes Anderson entwirft seine Familiengeschichten unter peinlichster Vermeidung von Drama und Gefühligkeit. Er bedient sich dabei eines ebenso nahe liegenden wie wirkungsvollen Kniffs: Was die Mitglieder seiner Familien schmerzt und verwirrt, wirkt auf den unbeteiligten Zuschauer komisch. In seinen besten Momenten gelingt es Anderson, diese Komik mit leisem Schmerz aufzufüllen; das Resultat ist jene staubtrockene Melancholie, die seine Filme so wiedererkennbar macht.

Francis beispielsweise hatte einen Unfall, der ein Selbstmordversuch war. Seinen Kopfverband trägt er wie die schräg sitzende Krone eines tragikomischen Königs. Als er, mit seinen Brüdern vor einem Spiegel stehend, den Verband schließlich abnimmt, kommt es zu einem jener berührenden Momente, die bei Anderson so selten sind: der Blick wird frei auf ein geschundenes Haupt, das voller Wunden ist und blutiger Narben. Sein Kommentar: „I still got some healing to do.“ Die Brüder sagen nichts.

Auch wenn sie auf die Reise gehen, sind Andersons Figuren lebensmüde Defätisten mit gutem Geschmack. Es ist daher nur folgerichtig, dass er sie aufgespießt hat wie tote Schmetterlinge in kleinen, hübschen Vignetten – von seinem Werkteam auch diesmal wieder aufbereitet mit detailverliebter Akkuratesse. In „Darjeeling Limited“ fühlt man sich von dem sorgsam platzierten Plunder sogar noch weniger belästigt als sonst: Indien ist schon an sich so voll von schönen Dingen und satten Farben, dass daran wenig arrangiert werden muss. Die Brüder schlurfen darin herum mit hängenden Schultern und ausdruckslosen Augen: Zombies im Puppenstübchen.

All das ist eigentlich ganz wunderbar. Das Problem ist nur: langsam wird’s langweilig. Wes Anderson hat einen ähnlichen Weg genommen wie Quentin Tarantino: Beide sind hoffnungsvoll mit einflussreichen Filmen in ihre Karriere gestartet; jetzt haben sie sich eingerichtet in einer Nische aus Selbstzitaten, Manierismen und selbstgefälligem Stilwollen, als ginge es nur noch darum, das dankbare Stammpublikum zufriedenzustellen. Andersons Filme haben seit „Battle Rocket“ und „Rushmore“ kontinuierlich an Kraft, Witz und vor allem an Feinheit verloren: er sagt zwar immer das Gleiche, aber jedes Mal ein bisschen lauter. Jene Koffer, die Francis, Peter und Jake mit sich herum schleppen, vom toten Vater geerbt, sind schon an sich ein ziemlich simples Bild; schlimm wird es, wenn die Brüder ihr Gepäck schließlich in einem allzu buchstäblichen Befreiungsakt von sich werfen, selbstverständlich in Zeitlupe und zu geschmackvoll ausgewählten Tönen.

„Darjeeling Limited“ ist weniger ein Zeugnis des Scheiterns als ein Zeichen der Stagnation. Geschenkt: Die opulenten Bilder sind ein Hochgenuss. Und es macht Freude, den drei spielfreudigen Hauptdarstellern bei ihren Ticks und Trips zuzuschauen. Für den hochtalentierten Filmemacher Anderson aber wäre es an der Zeit, von seinem eingleisig fahrenden Zug abzuspringen. Allmählich fragt man sich nämlich schon, ob er sein Puppenhäuschen nur deshalb mit Witzen füllt statt mit Gefühl, weil er gar nicht anders kann.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Delphi, International, Kino in der Kulturbrauerei, Odeon (OmU) und Yorck

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false