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''Die Schachspielerin'': Aufwachen!

Zug des Lebens: Caroline Bottaros „Die Schachspielerin“ mit Sandrine Bonnaire.

Viel zu schön für eine Haushälterin, natürlich. Und, im kurzen Rock, Sandälchen und Blümchenbluse, noch immer mädchenhaft, wie sie da auf dem Fahrrad die Küstenstraße entlangbraust. Andererseits: Etwas Verhärmtes kann Sandrine Bonnaires Gesicht durchaus schon haben, wenn das Haar streng nach hinten gebunden ist und jedes Lächeln weit, weit verbannt aus den Mundwinkeln, die scharfe Falten werfen. Ja, wenn sie will, glaubt man ihr sogar die Ungebildete, die angesichts der Riesenbibliothek des Dr. Krüger naiv ausruft: „Die haben Sie alle gelesen?“ und selbst bekennt: „Ich lese nie.“

Natürlich ist Sandrine Bonnaire der einzige Grund, warum man sich „Die Schachspielerin“ getrost ansehen mag, diesen Film von Caroline Bottaro, der auf einem Buch von Bertina Henrichs beruht. Der Grund, warum man selbst die verspielten Vorspann-Namensnennungen, die süßliche Musik, die großartigen korsischen Landschaftspanoramen, die dann doch nur mit einem flüchtigen Kamerablick gestreift werden, hinzunehmen bereit ist – und, ja, fast auch noch die Einführung mit dem schönen schachspielenden Touristen-Paar auf der Hotelterrasse, und die Art, wie ein Seiden-Negligé endlich zum Erwachen eines Körperbewusstseins führt. Auch die etwas krude Story stört nicht weiter, dass da diese Hélène, eine mittelalte Hausfrau und Mutter, die als Putzfrau im Hotel arbeitet, eine ganz und gar unerklärliche Leidenschaft zum Schachspiel fasst, nächtelang vor dem Schachcomputer sitzt und am Ende sogar den mürrischen Eigenbrötler in der Villa bezwingt. Nur dass der, dem Kevin Kline lange Zeit eine mild amüsierte, abgeklärte Mentorenweisheit gegeben hat, dann doch noch mit schwerer Krankheit, verstorbener Ehefrau und entsprechenden Gewissensbissen geschlagen ist und am Ende, nach einem immerhin funkelnden Kopfschachduell, doch noch mit einem langen Abschiedskuss belohnt wird, das verrät die Spannung, die intellektuelle Spannung dann leider doch an eine vordergründige Liebesnähe, die die Geschichte nicht gebraucht hätte – und die Hélènes neu erworbene Eigenständigkeit flugs wieder auf das alte Spiel Mann–Frau zurückwirft. Und die dem von Francis Renaud sehr überzeugend gespieltem MachoEhemann mit zarten Seiten dann doch den Grund zur Eifersucht gibt.

Dabei geht es doch um mehr. Denn so ein Spiel, ein Brett und 32 Figuren, das ist nicht nur Spaß, sondern für Hélène existenzielle Herausforderung, und das, worum gespielt wird, heißt: Leben. Mut. Und Selbstbewusstsein. Das merkt man, wenn Hélène zum ersten Mal gegen ihren Mentor Dr. Krüger antritt, mit aller Unsicherheit nicht nur der Debütantin, sondern auch der Frau, die sich lebenslang nichts zugetraut hat und längst resigniert hat in ihrem Dasein: „Das ist kein Spiel für Frauen“, erklärt sie ihrer verständlicherweise entgeisterten Tochter. Und es ist großartig zu sehen, wie da nach und nach immer mehr Sicherheit in ihre Züge, in ihren Blick kommt, ja, so etwas wie Kampfeslust, und wenn sie am Ende, beim Schachturnier, dem arroganten Schachmeister gegenübersitzt, dann ist da in ihrem Blick eine kühne Herausforderung, eine lächelnde Kampfansage, die sie schon vor dem letzten Zug zur Siegerin macht. Man möchte ihr nicht gegenübersitzen, in diesem Moment. Und dafür zu Hause sofort das Schachbrett wieder herausholen.

Cinemaxx, Kant, Kulturbrauerei,

Passage, Cinema Paris (auch OmU)

Die Kritik zu „Das Kabinett des

Dr. Parnassus“ erschien am 5. Januar.

Alle Filmstarts finden Sie in unserem Magazin für Berlin und Potsdam

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