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© pop tutu

Dokumentarfilm: Mit aller Kraft

Anhand historischer Aufnahmen und Interviews zeichnet der Film einen teils absurden Prozess über zwölf Jahre nach. Doku über ein Massaker in Guatemala: "Auf halbem Weg zum Himmel".

Ein furchtbar poetischer Beginn: „Wohin gehen die Toten“, fragt die Indio-Frau ihre Tochter. „In den Himmel“, antwortet die Kleine. „Und wo ist der Himmel?“ – „Im Dorf.“ In dem Dorf Aurora hat ein Massaker stattgefunden. Eins von rund 650, die die guatemaltekischen Militärs während eines jahrzehntelangen Bürgerkriegs vorwiegend in Indio-Gemeinden verübten. In den achtziger Jahren weitete sich der Krieg zum Völkermord, Tausende flohen nach Mexiko. Als die Bewohner von Aurora 1995 zurückkehren, taucht wieder eine Patrouille auf: zwei Dutzend Soldaten, blutjung. Die Menschen haben Angst, wollen die Soldaten vertreiben, bedrängen sie, schreien. Da schießen die Soldaten, elf Menschen sterben, 27 werden verletzt.

Soweit die Vorgeschichte. Ihren exakten Verlauf kann auch „Auf halbem Weg zum Himmel“ nicht klären. Ulrich Miller und die in Guatemala geborene Andrea Lammers konzentrieren sich in ihrem Doku-Debüt vielmehr auf den Versuch der Dorfbewohner, Gerechtigkeit zu erlangen. In Guatemala ist das, wie der an Bildmetaphern reiche Film in einer langen Sequenz mitteilt, als ob man einen Baumstamm durch den Dschungel schleppen wollte: langwierig, anstrengend und gefährlich.

Anhand historischer Aufnahmen und Interviews – mit Dorfbewohnern, dem Kommandanten der Militärpatrouille, dem Verteidigungsminister und einem Staatsanwalt – zeichnet der Film den teils absurden Prozess über zwölf Jahre nach. Doch die Elemente bremsen sich gegenseitig aus. Immer wieder werden etwa pittoreske Dorfszenen eingestreut – viel zu lange hält die Kamera etwa auf Dorfbewohner mit Macheten im Abendlicht. So sind die Originalaufnahmen aus dem Gericht die bemerkenswertesten. Zwar ist die Bildqualität erbärmlich, doch wenn der Verteidiger den Indios die Schuld für das Massaker in die Schuhe schiebt, während hinter ihm die Soldaten feixen, erzählt das mehr über Macht in Zentralamerika als stimmungsvolle Aufnahmen von Bäumen und Wolken zu avantgardistischer Musik.

Das Ende ist dann doch überraschend. Vier bis fünf Jahre Gefängnis bekommen die Soldaten – doch die Dorfbewohner geben sich damit nicht zufrieden. Sie legen Berufung ein, und nach weiteren Verhandlungen wird ein Dutzend Soldaten zu 40 Jahren Haft verurteilt, womit zum ersten Mal in der guatemaltekischen Geschichte Militärangehörige für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wurden. Doch so aufschlussreich diese Episode aus der langen Agonie Guatemalas sein mag – es gelingt den Filmemachern nie, das Exemplarische des Geschehens deutlich zu machen, geschweige denn Momente der Anteilnahme zu schaffen.

Babylon Mitte

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