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Dreharbeiten

© Thilo Rückeis

Dreharbeiten: Das schnelle Ding

Hans-Christoph Blumenberg dreht in Berlin einen Film über Starkult und Paparazzi: „Waiting for Angelina“.

Am nördlichen Ende von Mitte, eingeklemmt zwischen Tor-, Chaussee- und Invalidenstraße, gibt es ein Viertel mit den schönsten nur denkbaren Straßennamen: Das rumpelige Kopfsteinpflaster ist hier nach dem romantischen Dichtergespann Eichendorff, Schlegel, Tieck und Novalis benannt. Steht man auf der Dachterrasse einer der hell renovierten Altbauten und blickt über die spätsommerliche Stadt, sieht man in der Ferne den Fernsehturm blitzen, erspäht den Alexanderplatz und den alten Backsteinturm der Golgatha-Kirche, wie er in den Himmel wuchert. Unter dem sanftblauen Himmel ziehen gemächliche Wolken in Grauschattierungen vorüber. Eine warme Brise umweht den Betrachter, und manchmal drängelt sich die Sonne hervor. Beinahe glaubt man, ein Posthorn im stillen Land zu hören. Ach, Schönheit! Ach, Leben! Ach, Berlin!

Doch die romantische Innerlichkeit währt nicht lange. Jäh wird die Versunkenheit von einem Satz unterbrochen, der an diesem Tag noch ein paar Dutzend Mal zu vernehmen ist: „Ruhe bitte. Wir drehen!“

Hans-Christoph Blumenberg hat sich eine braune Schirmmütze als Sonnenschutz übergezogen und sitzt hinter einem Minibildschirm, den er „Mäusekino“ nennt. Darauf verfolgt der 60-jährige Regisseur, wie seine Hauptdarsteller Florian Lukas und Kostja Ullmann zum wiederholten Mal eine Szene durchgehen, in der sie über Paparazzi, Brigitte Bardot und den Paparazzi-Bardot-Film „Privatleben“ streiten. „Sehr schön gespielt. Sehr, sehr schön!“ ruft Blumenberg, als die Aufnahme abgedreht ist. Doch Ullmann ist unzufrieden mit sich. Blumenberg beschwichtigt: „Bist du Regisseur? Bin ich Regisseur? Wer ist der Regisseur?“ Alle lachen. Es sind nur zehn Leute am Set, nicht wie sonst bei Blumenberg 40 oder 50. „Das ist fast wie bei einem Studentenfilm: alles ein bisschen guerillamäßig“, sagt er.

Angefangen hatte Blumenberg einst als Filmkritiker, beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ und als „Zeit“-Redakteur, dann aber – wie Chabrol, Godard oder Rudolf Thome – wechselte er die Seiten: Der Filmjournalist wurde Filmemacher. In den achtziger und neunziger Jahren hat er anspielungsreiche Kinofilme gedreht wie den Thriller „Tausend Augen“ und die Treuhand-Satire „Rotwang muss weg!“ Für das Fernsehen drehte er etliche Saarbrücker „Tatorte“ und zuletzt große Produktionen wie das „Deutschlandspiel“ mit Peter Ustinov, „Der Aufstand“ mit Jürgen Vogel oder „Die Kinder der Flucht“ über die Vertreibungen im Zweiten Weltkrieg.

Dieses Mal soll es schnell gehen. Angestachelt vom derzeit so beliebten Boulevevardthema „Angelina und Brad = Brangelina“ hat sich Blumenberg Gedanken über Celebrities, Starkult und das Leben zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre gemacht. „Waiting for Angelina“ heißt die Komödie, die nächstes Jahr in die Kinos kommen soll. Darin treffen zwei sehr verschiedene Männer – Paparazzo der eine, schmachtender Angelina-Jolie-Fan der andere – in einem Dach-Apartment aufeinander, von dem aus sie Einblick in die Berliner Wohnung von Angelina Jolie und Brad Pitt zu ergattern versuchen. Fünf Tage Warten auf Angelina. 120 Stunden Dolce Vita auf der Dachterrasse. Ein kurzer Sommer vorm Balkon: Zeit für viele schnelle Dialoge. Unter anderem wird Arnold Schwarzenegger eine Affäre mit Hillary Clinton angedichtet („Arnie kann’s nicht lassen“). Als Nebenfiguren treten Jana Pallaske, Barbara Auer und Gudrun Landgrebe auf.

Die Idee zum Film kam Blumenberg Ende Mai. Danach schrieb er in Windeseile erst eine, dann zwei, schließlich drei Drehbuchfassungen. Anschließend kontaktierte er Leute, mit denen er schon mehrfach zusammengearbeitet hatte: den Kameramann Klaus Peter Weber zum Beispiel oder Florian Lukas, der den Fotografen Maik Tremper spielt. Schauplatz des Kammerspiels bleibt fast ausnahmslos die Dachterrassenwohnung – der Einfachheit halber hat der Regisseur sein eigenes Apartment zur Verfügung gestellt. Es gibt nicht mehr als 13 Drehtage, gefilmt wird mit wendiger Digitalkamera, Umbaupausen entstehen praktisch keine. Budget: maximal 600 000 Euro. Das Ganze findet ohne staatliche Fördergelder und ohne Fernsehredakteure statt – es soll ja schnell gehen. „Der Film ist eine atmosphärische Momentaufnahme des Sommers 07“, sagt Blumenberg. „Deswegen ist das keine riesige, schwerfällige Maschine hier, sondern wie aus der Hüfte geschossen.“

Während anderswo in der Stadt hohe zwei- und dreistellige Millionenbeträge in aufwendige Hollywood-Projekte wie „Speed Racer“ oder „Valkyrie“ oder Bernd Eichingers deutsche Großproduktion „Der Baader-Meinhof-Komplex“ fließen, zieht hier einer das schnelle Ding durch. In keinem dieser Fälle besagt das vorab etwas über die Qualität der Filme. Aber das Beispiel „Waiting for Angelina“ zeigt, wie eben auch gedreht werden kann: persönlich, fast anarchisch, mit hoher Geschwindigkeit. Fragt sich, wer hier der Speed Racer ist.

Julian Hanich

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