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Auch Krabben brauchen Liebe. Bahia (Sara Forestier) im Einsatz.

©  Michaël Crotto

Film: Make love, not war

In Michel Leclercs neuer Komödie „Der Name der Leute“ geht es um Sex für die gute Sache. Eine linke Aktivistin schläft mit konservativen Männern.

Achtung Vogelgrippe! Der Tierarzt Arthur Martin, Beauftragter des französischen Amtes für Tierseuchen, klärt in einer Talkshow über Gefahren und Risiken auf, als eine Telefonistin des Fernsehsenders beginnt, sich auffällig zu benehmen. Der Alarmismus des Vogelmannes missfällt ihr. Darf man der Panikbereitschaft westlicher Zivilisation derart Vorschub leisten? Schließlich stürmt die Frau das Studio: Erst waren es die giftigen Austern, dann die verrückten Kühe, jetzt sind es die Vögel und am Ende gar die Immigranten? Das Fazit der Telefonistin Bahia Benmahmoud: Sendungen wie diese leisten dem weltweiten Faschismus Vorschub!

Kennt man die Art des Denkens noch? 60er-, 70er-Jahre-Marxismus im weitesten Sinne: Bemerken, wie alles zusammenhängt, vor allem das Nichtzusammenhängende. Erkenntnis in lauter Formatfehlern. Der verblüffte Tierarzt und die nunmehr entlassene Telefonistin führen ihren Disput im Café weiter, am Ende steht die Einladung der Aktivistin, mit ihr zu schlafen. Es handele sich ums Prinzip: Sex immer gleich am ersten Abend! Der Spezialist für tote schräge Vögel, der von lebendigen wie Bahia so wenig weiß, lehnt ab.

Aus seiner Reue und ihrer Art, die Welt zu sehen, wird Michel Leclercs skurrile, nur manchmal ins Alberne abgleitende Komödie. Sie ist der Kommentar des Regisseurs zur Lage der Nation. Das wird deutlich, als der Ornitologe (bürgerlich-wohltemperiert: Jacques Gamblin) und die meist unzureichend bekleidete Weltverbesserin (allseitig grenzenlos: Sara Forestier) sich zufällig am Tag der Präsidentschaftswahl wiederbegegnen. Bahia verlässt heulend die Kabine: Sie hat Chirac gewählt, nur um Le Pen zu verhindern.

Das Leben als Kalkül, als Taktik, wie es andere selbstverständlich führen, ist ihr unerträglich. Leclerc spielt meisterhaft mit Wirklichkeiten; er verrückt sie nur minimal, und schon werden sie zur hellsichtigen Parodie auf die nur allzu reale Welt. Dabei könnte manche Idee als schlechte Reverenz an die französische Komödie älteren Typs erscheinen. Ist es wirklich lustig, eine nackte junge Frau durch Paris laufen zu lassen? Ja, irgendwie schon, weil Leclerc die Kleidervergessenheit seiner Revolutionärin bezwingend erdet.

Kunst ist Waffe!, erklärte einst ein kommunistischer Dramatiker. Dieser Film ergänzt: Sex ist Waffe! Das politische Bekenntnis der jungen Französin Bahia Benmahmoud lautet: „Eigentlich ficke ich nur Typen vom rechten Flügel!“ Für den Entendiagnostiker und Jospin-Wähler Martin macht sie lediglich eine Ausnahme.

Bahia kann sich das Rechtssein nur aus einer tiefen körperlichen Verklemmtheit erklären, die schließlich auf den Verstand übergreift. Die junge Frau zieht die letzte Konsequenz aus dem Wahlspruch ihrer Vordenker „Make peace, not war!“ Auch darf sie als singulärer Fall eines Kindes gelten, das ein rundum positives Verhältnis zu seinen 68er-Eltern unterhält. Ihre Flower-Power-Mutter aus begütertem Haus begriff es als Mission, einen armen Algerier zu heiraten. Die Mutter des Vogelkundlers hingegen ist Jüdin.

Es sind viele Zutaten in diesem Film, letztlich wohl zu viele. Im Gegensatz zu seinem Lieblingsregisseur Woody Allen hat Michel Leclerc auch wenig Talent zur Beiläufigkeit. Trotzdem fällt es schwer, „Der Name der Leute“ nicht zu mögen.

In acht Berliner Kinos, OmU im Cinema Paris, Hackesche Höfe Kinos

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