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Kino: FILMBUCH

Die Zeitzeugen sterben aus, und an ihre Stelle rücken Guido Knopp und „Der Untergang“. Diese filmischen Dokumente, behauptet der Klappentext, „prägen das Geschichtsbild der nachkommenden Generationen mehr als alles, was die Zunft der Historiker aufzubieten hat“.

Die Zeitzeugen sterben aus, und an ihre Stelle rücken Guido Knopp und „Der Untergang“. Diese filmischen Dokumente, behauptet der Klappentext, „prägen das Geschichtsbild der nachkommenden Generationen mehr als alles, was die Zunft der Historiker aufzubieten hat“. Ist das wirklich so? Über die Langzeitwirkung von Guido Knopp können wir uns in 20 Jahren unterhalten; bisher gibt es kein filmisches Äquivalent zu den Standardwerken von Raul Hilberg und Hannah Ahrendt. Selbst die aufsehenerregende und immer noch vorbildliche TV-Serie „Holocaust“ ist der jüngeren Generation kein Begriff mehr, und unsere Enkel werden vielleicht gar nicht mehr wissen, wer Guido Knopp war, weil jüngere Konkurrenten ihn entthront haben.

Film- und Fernsehhistoriker zielen auf Oberflächenreize, bedienen Trends, schielen nach der Quote. Die besten Historiker dagegen nehmen sich Zeit und schreiben für die Ewigkeit. Trotz der fragwürdig alarmistischen These, die ihm zugrunde liegt, ist „Das Böse im Blick. Die Gegenwart des Nationalsozialismus im Film“ ein ergiebiges Buch. Es zeigt die Vielfalt, die beim Umgang mit der NS-Zeit möglich ist: Wagner-Oper („Der Untergang“), Lausbubengeschichte („Napola“), Kammerspiel („Sophie Scholl“), Familientherapie („2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß“), Farce (Christoph Schlingensief, Dani Levy), Verweigerung und Respekt vor dem Bilderverbot (Romuald Karmakar).

Ein paar Beiträge tönen arg dogmatisch: Die Autoren wissen gar zu genau, wie man sich zu erinnern hat – und wie nicht. Auch sind 18 Autoren zur Ausleuchtung von Filmen aus dem Zeitraum 2004/06 wohl zu viel. Zu oft wechselt der Ton, entsteht der Eindruck von Konzeptionslosigkeit. Dietrich Kuhlbrodt hat vor einem Jahr mit seinem wunderbaren kleinen Buch „Nazis immer besser“ dasselbe Phänomen kürzer, klarer und witziger beschrieben. Hier nun finden sich etwa neben Christian Schneiders einleuchtenden Gedanken über fehlende Quellenkritik konventionelle Inhaltsangaben. Quotenhits wie „Stauffenberg“, „Dresden“ und „Die Flucht“ fehlen, während Jutta Brückners „Hitlerkantate“ das letzte Wort zugestanden wird. Ein Hoch allerdings auf Rudolf Worschech: Endlich weist jemand darauf hin, dass das Lachen über Hitler keine Spezialität von Chaplin und Lubitsch war, sondern dass sogar Russ Meyer mit „Up!“ eine durchgeknallte Führer-Farce vorgelegt hat. Ja, das Böse! Dumm ist es meist auch, und ziemlich laut. Frank Noack

Das Böse im Blick. Die Gegenwart des Nationalsozialismus im Film. Hrsg. von

Margrit Frölich,

Christian Schneider und Karsten Visarius.

Edition text + kritik,

278 Seiten mit

Audio-CD, 29 €.

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