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© Tobis

Kino: "Away We Go": Die kleine Illusion

Sam Mendes zelebriert in „Away We Go“ das Elend kindischer Mittdreißiger - mit uncharismatischen Darstellern, die irgendwann nur noch nerven.

Sam Mendes, Jahrgang 1965, hat dem US-Kino binnen einer Dekade ein Trio äußerst bemerkenswerter Filme über den Mittelstand geschenkt. Mit seinem Debüt – Kevin Spacey spielte darin einen frustrierten Ehemann in der Krise – landete er 1999 einen Oscar-Gewinner. Drei Jahre später folgte die Gangsterstudie „Road to Perdition“, ebenfalls eine Familiengeschichte mit düsteren Perspektiven. Und im Januar dieses Jahres kam „Zeiten des Aufruhrs“ ins Kino, ein kalter, präziser Blick auf das Vorstadtelend junger Familien in den fünfziger Jahren, mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio als brillanten Protagonisten.

In „Away We Go“ nun konzentriert er sich auf zeitgemäße Mittdreißiger: mittelständisch geprägt, reichlich kindsköpfig und ohne ernsthaftes Interesse, das eigene, nicht mehr ganz so frische Leben auch in die Hand zu nehmen. Burt (John Krasinski) und Verona (Maya Rudolph) haben ihre Studien abgebrochen und sind nunmehr freiberuflich tätig, irgendwo in der Provinz. Das Paar lebt noch immer studentisch – in einer höhlenartigen Wohnung mit allerlei Krimskrams und zusammengewürfeltem Mobiliar. Schon früh wird klar: Burt macht keinerlei Anstalten, erwachsen zu werden – auch nicht, als sich herausstellt, dass Verona schwanger ist. Zu befürchten ist vielmehr, dass sie, die mit anatomischen Zeichnungen den größten Teil des gemeinsamen Einkommens bestreitet, bald noch für ein weiteres Kind wird sorgen müssen.

Dann eben Plan B: eine Rundreise zu alten Freunden

Zunächst jedoch hoffen die beiden, dass Burts Eltern sie unterstützen und sich auch um das Kind kümmern werden. Ein Besuch bei den Öko-Aktivisten aber belehrt das Paar eines Besseren. Burts Eltern wollen auswandern und haben keinerlei Interesse an ihrem künftigen Enkel. Auch das Wohlergehen ihres Sohnes und seiner Lebensgefährtin berührt sie kaum: In einer schönen, bis ins Absurde gesteigerten Szene reden alle vier aneinander vorbei – als spräche jeder in einer anderen Sprache. Plan B führt Burt und Verona auf eine Rundreise durch Nordamerika: Vom Familienleben alter Freunde wollen sie sich etwas abgucken und sich, sofern die Inspektion positiv verläuft, vielleicht in deren Nähe niederlassen.

Die Reise verläuft allerdings bald ermüdend seriell, wobei der Aufmarsch der Bekannten nicht viel mehr erbringt als die Spiegelung von Burts und Veronas eigener Ratlosigkeit. Veronas krakeelende Ex-Chefin und ihr depressiver Mann sind völlig desinteressiert an ihren autistisch wirkenden Kindern. Eine Professorin praktiziert mit ihrer Familie esoterische Rituale und plaudert munter Intimitäten aus. In Montreal immerhin scheint die Suche beendet: Die Studienfreunde Tom und Munch leben offenbar heiter und gelassen in einem gemütlichen Haus mit adoptierten Kindern aus allerlei Ländern. Doch nach einigen Drinks beklagt das Paar nur mehr, keine eigenen Kinder zu haben. Der Weg, den Burt und Verona schließlich wählen, ist konservativer kaum denkbar.

Sam Mendes hat sich bemüht, das Porträt einer unreifen Generation zu zeichnen, aber fängt mit seinem guten Thema denn doch zu wenig an. Er schildert Leute, die sich nicht entscheiden können, weil sie glauben, dadurch etwas zu versäumen. Immer wollen sie sich locker alle Möglichkeiten offenhalten und merken gar nicht, dass sie längst in Biederkeit ersticken – und viel rigider sind als frühere Generationen. „Away We Go“ fehlt aber der innere Zusammenhalt – und dass die Darsteller nicht besonders charismatisch auftreten, verstärkt das Unbehagen. Irgendwann nerven die Protagonisten nur noch. Nicht nur einander, sondern auch die Zuschauer.

- Cinemaxx, FT Friedrichshain, Kant, Kulturbrauerei, Yorck, Zoo-Palast; OV im Cinestar SonyCenter, OmU im Odeon und den Hackeschen Höfen

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