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Kino: Die Blumenkrieger

Anarchisch: die Irakkriegs-Komödie "Männer, die auf Ziegen starren"

Komödien handeln vom Scheitern, denn das Scheitern sieht meistens ziemlich komisch aus. In einer Szene des Films „Männer, die auf Ziegen starren“ versucht ein Offizier der US-Army buchstäblich durch die Wand zu gehen. Er erhebt sich von seinem Schreibtischstuhl, nimmt Anlauf, springt gegen die Bürowand – und landet mit blutender Nase auf dem Teppichboden. Der Offizier gehört zu einer Spezialeinheit, den „Jedi–Kriegern“. Allerdings war sein Glaube an die eigene Unbesiegbarkeit wohl noch nicht groß genug. Für Jedi–Krieger sind die Gesetze von Zeit und Raum aufgehoben. Sie können sich unsichtbar machen, telepathisch kommunizieren und mit Blicken töten. Theoretisch jedenfalls. Praktisch geht dann doch immer irgendetwas schief.

Die Figuren, die in „Männer, die auf Ziegen starren“ auftreten, sind allesamt von derartiger Tollpatschigkeit. Schon der Held, aus dessen Perspektive erzählt wird, ist ein Versager. Bob Wilton (Ewan McGregor) arbeitet als Reporter bei einer Lokalzeitung, bis seine Frau ihn verlässt und zu seinem Chefredakteur zieht. Um sie zurückzugewinnen, beschließt Wilton ein berühmter Kriegsreporter zu werden. Allerdings wird er nicht als „Embedded Journalist“ akzeptiert und bekommt keine Einreisegenehmigung für den Irak. So hängt er wochenlang in einem Hotel in Kuwait fest, wo er den vermeintlichen Geschäftsmann Lyn Cassady (George Clooney) trifft. In Wirklichkeit gehört Cassady zu einem Eliteverband, der „New Earth Army“, und hat einen Geheimauftrag.

Auf seiner Brust trägt er ein eintätowiertes magisches Auge, er hält sich für den besten PSI-Krieger aller Zeiten. Mit Wilton fährt er in den Irak, wo sie von Terroristen entführt werden, sich selbst befreien und in eine Schießerei zwischen konkurrierenden amerikanischen Sicherheitsfirmen geraten. Der Wahnsinn, so viel steht fest, hat im Krieg Methode. Die Jedi-Krieger mögen unter Größenwahn leiden, aber die anderen Soldaten sind auch nicht intelligenter. Stolz führt Cassady seine unorthodoxen Kampftechniken vor. Er hypnotisiert Gegner mit dem funkelnden Blick seiner Augen, löst Wolken durch pure Willenskraft auf und stürzt sich unbewaffnet, aber frenetisch schreiend in jedes Getümmel. Dass er mit dem Leben davonkommt, ist purer Zufall.

„Träumen wir von einem neuen Amerika, das nicht mehr jeden mit ausbeuterischen Augen betrachtet“, verkündet Bill Django (Jeff Bridges), während er Blumen an seine Kämpfer verteilt. Django, ein „Big Lebowski“-artiger Hippie in wallenden Batikklamotten, ist der Gründer der New Earth Army, deren Geschichte in Rückblenden erzählt wird, während Cassady und Wilton sich durch die Wüste schlagen. Django wurde in Vietnam von einem Scharfschützen getroffen und fand in der Near-Death-Situation zur Erleuchtung: In der Sanftmut liegt die Stärke.

Der Offizier verbringt Jahre in der kalifornischen New-Age-Szene, seine Haare werden dabei immer länger. Anschließend schart er in einer Kaserne in Nevada eine Gruppe von experimentierwilligen Rekruten um sich. „Wir kämpfen nicht mit Waffen, wir kämpfen mit unserem Geist“, lautet die Parole. Die Soldaten tanzen sich in Trance und laufen über glühende Kohlen. Dem talentiertesten Jedi-Krieger, Cassidy, gelingt es sogar, eine Ziege so lange anzustarren, bis sie tot umfällt. Djangos Erfolge wecken den Neid des Hardliners Hooper (Kevin Spacey), der alles daransetzt, ihn abzuservieren.

Der Debütfilm von Regisseur Grant Heslov ist mehr Klamotte als Satire, seine stärksten Szenen kommentieren allerdings auch die jüngere amerikanische Außenpolitik. So erinnern die irakischen Kriegsgefangenen mit ihren orangenen Overalls, die in einem amerikanischen Wüstencamp interniert sind, an die Folteropfer von Abu Ghraib. New-Age-Krieger hat es übrigens tatsächlich gegeben. Der britische Journalist Jon Ronson, auf dessen Buch der Film basiert, hat die Geschichte des „First Earth Battalions“ recherchiert, das in den sechziger und siebziger Jahren parapsychologische Kampftechniken ausprobierte. „Männer, die auf Ziegen starren“ beginnt anarchisch, endet aber in einem konventionellen Gut-gegen-Böse-Finale. Wahrscheinlich hätte man etwas mehr LSD in die Drinks des Filmteams mischen müssen.

Ab Donnerstag in 16 Berliner Kinos, OV im Cinestar Sony-Center, OmU im Filmtheater im Friedrichshain und im Odeon

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