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Alter

© X-Verleih

Kinostart: Jedem Ende wohnt ein Anfang inne

Stillleben mit Männern: Michael Kliers melancholische Kino-Meditation "Alter und Schönheit“ ist eine Choreografie für Männermimik, Männergesten, Männerkörper - und ein Film über das Altwerden.

Alter geht vor Schönheit, sagt der Volksmund, wenn er die Alten trösten will. Und den Jungen ein bisschen Verneigung aufnötigen vor dem, was auch sie ereilt eines Tages. Obwohl: Neuerdings hat sich das, eine Laune der Krise, gedreht. Neuerdings hält ein ganzes desorientiertes Volk den Uralten die Tür auf, den Uraltkanzlern und Uraltfeuilletonisten, hängt an ihren Lippen, flicht ihnen Kränze noch und noch: Lorbeer natürlich, nicht Efeu.

So gesehen, könnte „Alter und Schönheit“, das garantiert jugend-freie neueste Werk von Michael Klier, der Film zur allgemeinen Verunsicherung sein. Reife Menschen sprechen und schweigen in aller Ruhe über Tod und Leben und den ganzen Klimbim, die sogenannte Liebe nicht zu vergessen. Sie ringen um letzte Worte und Gesten und finden sie. Schließlich braucht der Mensch gerade jetzt Hoffnung. Denn jedem Ende wohnt ein Anfang inne, sagt der Volksmund. Oder so ähnlich.

Leider nur eignen sich die vier Männer, die Regisseur und Drehbuchautor Michael Klier sowie seine stets sublim agierende Kamerafrau Sophie Maintigneux vorsichtig einkreisen, kaum als Anlehnungsfiguren. Und als Identifikationspersonal ebenso wenig. Für die zeitgemäße Greisenvergötterung sind sie eine Generation zu jung. Für die großen, gefühlsausschüttenden Midlife-Krisen sind sie schon einen empfindlichen Tick zu alt. Irgendwo nahe oder schon jenseits der Fünfzig. Erfolgsmenschen, Weitermacher oder bloß Übriggebliebene, das ist hier die Frage.

Nur von Manni (Peter Lohmeyer) weiß das Drehbuch Endgültiges: Er hat Krebs, er liegt im Sterbehospiz, und vorher will er seine uralten Freunde und eine uralte Freundin noch einmal wiedersehen. Ja, und er ist Schauspieler, oder war er das bloß, längst reif für die Vergangenheitsform der Nachrufe, so lange her wie damals, als er ein erfolgreicher Fernsehkommissar und Bungalowbesitzer und Womanizer und Ferrari-Fahrer war? Alte Geschichten. Jetzt hustet er und röchelt und presst Kürzestsätze heraus und bewegt sich im blassblutroten Dahinsterbehemdchen durchs Zimmer.

Mannis Freunde, auch sie kennen sich fast wie aus einem anderen Leben: Justus (Burghart Klaußner) ist inzwischen ein ebenso viel beschäftigter wie wenig bedeutender Seifenopernregisseur. Harry (Henry Hübchen) ist als Altersteilzeit-Casanova vollauf mit der Austarierung von Ehe- und Affärendienstplänen beschäftigt. Und Bernie (Armin Rohde) ist an der ausgebeulten schwarzen Aktentasche, die er stets sonstwohin mit sich führt, zweifelsfrei als Lehrer zu erkennen. Die Klausuren seiner Abschlussklasse trägt er darin herum. Ihr Thema ist, so bedeutet er Justus einmal oder war es Harry oder sogar Manni, „das Beginnen“. Ein Drehbuchwitz: Vom Beginnen ist in dieser Altefreundewelt ganz und gar nichts mehr zu erkennen.

Lässt sich „Alter und Schönheit“ nacherzählen? Kaum. Nicht, weil die Handlungsstränge des Films so kompliziert verschlungen wären, im Gegenteil. Nicht, weil man, Gott bewahre, sein Ende nicht verraten dürfte. Sondern weil die Handlung immer traumwandlerisch nahe der Nachweisgrenze balanciert, weil sie immer wieder zu sonderbaren Zwischenstillständen kommt und dann geradezu unheimlich mühelos zu versiegen droht. „Alter und Schönheit“ ist eine Choreografie für Männermimik, Männergesten, Männerkörper. „Alter und Schönheit“ ist eine melancholische Meditation über das Altwerden, in die der Witz mitunter hineinfährt wie ein Gefühlswindstoß, eine Lust zu tanzen auch. Immer wieder stehen Leute allein und probieren Schritte aus. Hoffentlich sieht mich keiner.

Von seinem Erstling „Überall ist es besser, wo wir nicht sind“ (1989) über „Ostkreuz“ bis zu „Farland“ und „Alter und Schönheit“: Michael Kliers Filme sind Stillleben, minimalistische Stimmungsbilder mit randständigem, gefühlsgetrübtem und ernorm lebenshungrigem Personal – und es scheint, als altere der Regisseur langsam mit ihm mit. Oder genauer: vor seinen Traumfiguren her. Der heute 65-Jährige, der immer um dieselben Gefühlsfehlstellen kreist, dreht Vergewisserungsfilme, erfindet schöne Gespenster, mit denen es sich ein Leben lang aushalten lässt; wenigstens mit ihnen.

Natürlich gehören auch Frauen dazu, oder zumindest eine, sonst wäre die ganze schönverschlampte Männerharmonie gar nicht auszuhalten. Manni also sucht Rosi, die Superflamme seines runtergezündelten Lebens, die Freunde finden sie für ihn, und wie Sibylle Canonica das Quartett zusammenhält, indem sie sich ihm zugleich unangestrengt entzieht, ist schlicht sensationell. Gelassen schälen die Kumpels die funkelnd Verlebte aus ihrer lebensverdunkelten Hochhaushöhle heraus, und fortan schenkt sie dem Film den allertraurigsten Glanz der Welt. Dass Manni noch was wiedergutzumachen hat an ihr: geschenkt. Und dass es eine Art Kuss gibt und irgendwo noch was mehr am dritten dieser unendlich kurzen Tage oder waren es Nächte: geschenkt. Alles Geschenke, uneingepackte. Rum liegen sie da in den Bildern, du musst sie nur sehen.

Alter ist Schönheit: Wahrscheinlich meint Klier genau das. Vor allem wenn das Alter sich seiner innewohnenden zarten Komik nicht verschließt. Wenn Burghart Klaußner umwerfend leergeräumten Gesichts seine Uhr wegschenkt an den Todkranken mit „ewigem Kalender“ zum Beispiel. Oder wenn Henry Hübchen vollgebremst rumtigert durch die anonymen Berliner Stadtkulissen und gar nicht weiß, wohin mit seiner Restmännlichkeit. Oder wenn Armin Rohde, endlich einmal ein Stiller und Ernster, zwei, drei wunderbar untaugliche Versuche in Sachen Hoffnung macht – mit kleinem Räusper-Anlauf natürlich. Weise können sie dann alle ja immer noch werden oder auch wegsterben eines sonnigen Nachmittags, je nachdem.

Ab Donnerstag in den Kinos Cinemaxx Potsdamer Platz, Filmkunst 66, Hackesche Höfe , Kulturbrauerei, Off und Zoo Palast

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