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Kino: Mensch, Miguel!

Nana Neuls zartes Debüt „Mein Freund aus Faro“

Einfach wegfliegen – das wär’s. Raus aus diesem Provinzkaff. Raus aus diesem Mistjob in der Lebensmittelfabrik. Raus aus dieser Familie, in der die geliebte Mutter so unersetzbar fehlt und der ältere Bruder mit seinen Heiratsplänen nervt. Doch ein Ausbruch scheint für die 22-jährige Mel (Anjorka Strechel) so weit weg wie die Flugzeuge am Himmel, die sie so gerne beobachtet.

Doch dann lernt sie die 14-jährige Jenny (Lucie Hollmann) kennen, die Mel für einen jungen Mann hält. Mel unternimmt nichts, um das Missverständnis aufzuklären – im Gegenteil: Sie entwirft sich eine neue Identität, die sie sich von einem portugiesischen Arbeitskollegen borgt. Sie verwandelt sich in Miguel und hebt zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich ab.

Das Handlungsgerüst von Nana Neuls Spielfilmdebüt „Mein Freund aus Faro“ erinnert stark an „Boys Don’t Cry“, der sich am wahren Schicksal der transsexuellen Brandon Teena orientierte. Der Verleih wirbt mit dem Spruch „Nach ,Boys Don’t Cry‘ der neue Film über Mut, Schmerz und Liebe.“ Das mag offensiv gemeint sein, wirkt aber kontraproduktiv. Denn Neul arbeitet solide und einfühlsam, kann aber nicht mit dem oscarprämierten Drama konkurrieren.

Eine große Stärke ihres Films ist, dass man die Faszination, die von Miguel ausgeht, glaubt. Für Jenny stellt der portugiesische Junge eine perfekte Projektionsfläche dar. Sie arbeitet an seiner Erschaffung fast ebenso stark mit wie Mel selber. So ist „Mein Freund aus Faro“ im doppelten Sinne eine Coming-of-Age-Geschichte. Denn auch Jenny erkennt, dass sie ganz anders ist als ihre prolligen, provinziellen Freunde. Für Mel geht dieser Erkenntnisprozess jedoch um einiges schmerzvoller vonstatten. Nadine Lange

Babylon Mitte, Cinemaxx Potsdamer Platz, Kant und Xenon

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