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Metropolis

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Metropolis: Kino der Kälte

Frieren mit Fritz Lang: Rund 2000 Menschen haben am Freitagabend trotz Minustemperaturen am Brandenburger Tor den legendären Stummfilm-Klassiker "Metropolis" angesehen.

Dies ist der Kinoabend der kalten Füße, der Thermoskannen und Thermojacken, der langsam erstarrenden Fingerspitzen und tropfenden Nasen, der denkbar größten Unbequemlichkeit, einen Film zu erleben – und dennoch: Was für ein Abend! Die Weltpremiere von Fritz Langs restauriertem und nun endlich nahezu komplettierten Meisterwerk „Metropolis“, live mit Orchester im Friedrichstadtpalast, parallel in der Alten Oper in Frankfurt, dazu über Arte auf unzähligen Fernsehern und nicht zuletzt hier auf dem schneebedeckten Pariser Platz. Als Kulisse und Rahmen der Leinwand das Brandenburger Tor, dessen Säulen immer wieder durch die dahingleitenden Bilder schimmern. Wie von einer frühlingsbunten Gardine sind sie eingefasst, von diesem nun geöffneten Vorhang, den die koreanisch-amerikanische Designerin und Künstlerin Christina Kim aus alten Berlinale-Materialien gefertigt hat, ein Querschnitt durch die Geschichte des Festivals, ein riesiges Suchbild, Erinnerungspuzzle und Dekoration zugleich. Doch das vielleicht Schönste, zumindest Überraschendste an diesem Abend: Der Platz ist voll! Kaum mehr als zwei Menschen habe er bei diesem Wetter dort erwartet, gekommen seien stattdessen 2000, hat Dieter Kosslick soeben im Friedrichstadtpalast verkündet. Und da die Leitung endlich steht, kommt das auch am Tor an, und die Stimmung, die gerade noch wegen kleiner Programmhänger ins Eiskalte driftete, steigt sprunghaft wieder an, wird nur noch beim zugeschalteten Auftritt von Hessens Ministerpräsident Roland Koch in Frankfurt absacken und sich in lautstarken Buhrufen entladen.

Gegen halb acht war der Platz noch fast leer, und dann das: Public Viewing, als wäre es eine lauschige Sommernacht. Einige hatten sich sogar Klappstühle mitgebracht, die später, als sich die Zuschauer zu Menschenwänden formiert hatten, kaum noch zu nutzen waren. Filmfreunde aller Schattierungen waren vertreten: das kulturbeflissene Pensionärsehepaar, das sich „Metropolis“ schon immer mal komplett ansehen wollte, auch wenn es skeptisch blieb, die zweieinhalb Stunden in der Kälte wirklich durchzuhalten; der Lang-Fan, der lieber in den Friedrichstadtpalast gegangen wäre, aber keine Karte mehr bekam; die Schülerclique, die sich ein Glas und eine Sektflasche teilte und schon früh in die nötige Partystimmung hineingealbert hatte; und auch die Theaterfrau aus Heidelberg, die von der eigenen „Metropolis“-Vorführung bei den dortigen Schlossfestspielen schwärmte, allerdings war die nicht im Freien.

Bis es losging, litten viele wohl schon an kalten Füßen, und ihre Geduld hatte man heftig strapaziert, durch ein-, zwei-, dreifaches Ausstrahlen von Filmchen zum 60. Geburtstag des Festivals. Aber das war alles vergessen und die Spannung groß, als kurz vor neun endlich die Maschinen von Fritz Langs Zukunftsstadt zu stampfen begannen und die Kohorten der Arbeitssklaven sich auf der Leinwand zum Schichtwechsel mühsam in Bewegung setzten.

Der Meister selbst war allerdings doch nicht, wie angekündigt, auf dem Pariser Platz zu hören, anders als am Vormittag bei der Generalprobe und sicher auch am Abend bei der Uraufführung im Friedrichstadtpalast. Dort sprach vor dem Film Fritz Lang per Tonkonserve, deren Entdeckung selbst eine kleine Sensation ist. 1927 hatte der Komponist und Dirigent Gottfried Huppertz mit einem Orchester verschiedene Stücke der „Metropolis“-Musik aufgenommen. Die Einspielung wurde von der Plattenfirma Vox auf Schellack herausgebracht, einschließlich einiger „Leitworte“ des Regisseurs. Die Platte galt wie das herausgeschnittene Drittel des Films jahrzehntelang als verschollen. Erst jetzt ist sie im Archiv des Sammlers Thomas Krispens wieder aufgetaucht und hatte nun wie der restaurierte Film zweite Premiere – nur eben nicht am Brandenburger Tor. Na wenn schon: Dessen Premiere als Spielstätte der Berlinale war auch ohne Lang-Worte überaus geglückt.

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