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Der Filmkritiker Michael Althen ist am 12. Mai im Alter von nur 48 Jahren gestorben.

© dapd

Nachruf: Die Liebe, die nie müde wird

Eine unbekannte Schauspielerin, ein besonders schönes Licht, ein durchgeknallter Plot: Der Filmkritiker Michael Althen hat nie aufgehört, sich beeindrucken zu lassen. Jetzt ist er in Berlin gestorben. Ein Nachruf.

Das sagt man so leicht, dass einer das Kino liebt. Bei Michael Althen, dem Filmredakteurskollegen von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und davor der „Süddeutschen Zeitung“, dem Buchautor und Filmemacher – bei Althen traf der Satz ins Herz. Seine Profession war immer seine Passion. „Warte, wenn es dunkel wird“ heißt sein 2002 erschienenes Buch mit dem Untertitel „Liebeserklärung an das Kino“, und Althen hat seine oft so routiniert-coole Zunft damit beschämt. Weil da einer, der tausende und ein paar mehr Filme gesehen hatte als die meisten von uns (auch bei den amerikanischen TV-Serien war er immer auf dem neuesten Stand), der sein halbes Leben im Kinosessel verbracht hatte – so weit vorne wie möglich, nah am Bild, nah an der Action und den Gesichtern –, weil er nie müde wurde, sich verzaubern zu lassen wie am ersten Tag. Und weil er das Kino trotzdem nie als Ersatzdroge für das Leben missbrauchte, für das Leben mit seiner Frau und den Kindern, mit seinen Freunden, für den Spaß auch auf den Filmfestivals bis spät in die Nacht.

Kaum einer kannte sich so gut aus, im Genrekino wie in der Filmkunst. Seine Kenntnis hat ihn nie schlaumeierisch dozieren lassen, sondern seine Leidenschaft befeuert. Das ist selten im Kritikergewerbe, die Liaison zwischen Enthusiasmus, Expertenwissen und Ergriffenheit. Er hörte nicht auf, sich beeindrucken zu lassen, von einer unbekannten Schauspielerin, einem besonders schönen Licht, einem durchgeknallten Plot, einem kleinen, stillen Film. Dann konnte er poetisch werden, im guten Sinne pathetisch. Kunst oder Kommerz? Für ihn gab es nur gute oder schlechte Filme, und auch in den schlechten meistens noch einen guten Moment.

Althens Liebe zur Wunschmaschine Kino verdanken wir nicht nur unzählige Texte über das Bewegende an den bewegten Bildern. Ja, er konnte schwärmen, von den Frauen zumal, von Jeanne Moreau oder Michelle Pfeiffer, Romy Schneider oder Jacqueline Bisset. Seine Klugheit hat ihn dabei vor dem Kitsch bewahrt. Aus der nicht unkomplizierten Beziehung zum deutschen Film ging die Kinodokumentation „Auge in Auge“ hervor, die er 2008 gemeinsam mit dem Filmhistoriker Hans-Helmut Prinzler realisierte. Und seiner Heimatstadt München, wo er seit seinem 18. Lebensjahr über das Kino schrieb, hat er zusammen mit Dominik Graf schon im Jahr 2000 gehuldigt, im Filmessay „München, Geheimnisse einer Stadt“.

„Warte bis es dunkel wird“, Althens education sentimentale im Lichtspieltheater, enthält wunderbare Passagen über das Glück der Bilder und ihre unerschöpfliche sinnliche Sensation. „Die wahre Geschichte des Kinos ist natürlich unsere eigene. Man sieht nicht mehr die ganzen Filme (...), sondern ihre Bestandteile: ein Gesicht hier, eine Geste dort, einen Satz vielleicht oder einen ganzen Dialog, ein Schattenspiel oder einen Sonnenuntergang, eine Parklandschaft oder einen Metroeingang, ein Frauenbein oder einen Blutfleck, eine Hutkrempe oder eine Spielkarte, ein Lächeln oder eine Träne, eine Leiche oder einen Kuss. Und es ist mit all diesen Bildern, als sei ein großer Regen über uns niedergegangen, und wir waten durch die Pfützen der Erinnerung, ehe sie versickern.“

Er war auch ein Erinnerungskünstler; es lag immer etwas Melancholisches über seinen Texten. Am 12. Mai ist Michael Althen mit nur 48 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit in Berlin gestorben.

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