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Jansen

© dpa

Peter W. Jansen: Sein Kino

Eine Stimme der deutschen Filmkritik, die eine gesendete und gedruckte und überhaupt vielgehörte Stimme war, ist verstummt. Der große Filmpublizist Peter W. Jansen ist tot.

Dass dieser seltsame Tag kommen würde, an dem man einen Nachruf auf diesen zuletzt nur noch furiosen Nachrufeschreiber würde schreiben müssen: Es hat sich, angesichts seiner langen Krankheit abgezeichnet, die ihn zuerst vom Kinosessel verdrängte und zuletzt ganz in die journalistische Stille trieb. Und man hat es doch nicht wahrhaben wollen – seine wie atemlos dahingeworfenen und zugleich aus fulminanter Sachkenntnis gespeisten Texte im Gedächtnis, seine weltenfreundliche, stets mit zartem Schalk grundierte Stimme im Ohr.

Peter W. Jansen ist tot, gestorben am Sonnabend in Gernsbach dicht bei Baden-Baden, seiner beruflichen Lebensheimat namens Südwestfunk, dem heutigen SWR. Und eine Stimme der deutschen Filmkritik, die eine gesendete und gedruckte und überhaupt vielgehörte Stimme war, ist verstummt – ja, eine ihrer letzten großen Stimmen. Eine Stimme anfangs der von Enno Patalas 1957 gegründeten und bis 1984 erscheinenden legendären Zeitschrift „Filmkritik“, zu deren Autorenkreis auch Ulrich Gregor, Frieda Grafe, Dietrich Kuhlbrodt, Theodor Kotulla und Hartmut Bitomsky gehörten. Und später, lange über Jansens Jahre als Kulturchef des Südwestfunks hinaus, die deutsche Radiostimme schlechthin, wenn es darum ging, klug und sinnlich neugierig zu machen auf das amorphe Medium Film, quer durch die Genres und Generationen.

Geboren 1930, war Jansen 1968 zwar zu alt, um zu den jungwilden Achtundsechzigern zu gehören; und lehrte doch auch sie, im Sinne Kracauers und Adornos kritisch auf das Massenmedium Film zu blicken. 1966 ging der studierte Germanist und Historiker zum Südwestfunk, ein Radiomann, der vom gedruckten Wort freilich nicht lassen mochte: Legendär ist die 45-bändige „Reihe Film“, die Jansen mit einem der anderen Großen der Filmkritik, Wolfram Schütte, von 1974 bis 1982 herausgab. Geschrieben hat Jansen bis zuletzt für die „Frankfurter Rundschau“ (Schüttes jahrzehntelange Schreibheimat) – und immer wieder auch für den Tagesspiegel.

Journalistenleben, gemacht fürs schnelle Schreiben und Versenden, produzieren selten Vermächtnisse. Und doch: Jansen hat, mit jener immens fleißigen Beiläufigkeit, die ihn auszeichnete, eines geschaffen. In einem Alter, in dem der gewöhnliche Redakteur sich zur Ruhe setzt, begann er für seinen Haussender eine 100-teilige Reihe über Meisterwerke des Kinos, in der er Originaltöne unverwechselbar auf seine eigene illuminierende Wahrnehmung und Deutung treffen ließ. Sieben Jahre lang strahlte der Südwestfunk „Jansens Kino“ aus – bilderloses Kino für die Fantasie, vom „Panzerkreuzer Potemkin“ bis „Taxi Driver“, von „Goldrausch“ bis „Ich war neunzehn“. Als Audio-CDs bleiben sie uns erhalten, Zeugnisse einer unsagbar lebendigen Stimme. Jan Schulz-Ojala

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