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Regisseur Wong Kar-Wai: "Vor 20 Jahren sagte in China niemand ,Ich liebe dich’"

Mr. Wong, dies ist Ihr erster amerikanischer Film.

Mr. Wong, dies ist Ihr erster amerikanischer Film...

Für mich ist „My Blueberry Nights“ eher ein Hongkong-Film, den ich in den USA gedreht habe. Genauso habe ich vor ein paar Jahren in Argentinien gearbeitet. Allerdings haben in „Happy Together“ die chinesischen Charaktere ihr eigenes Hongkong in Buenos Aires aufgebaut. In „My Blueberry Nights“ hingegen geht es um eine Amerikanerin, die versucht, Zeit zu gewinnen, um eine Entscheidung wachsen zu lassen.

Was verbindet Sie mit den USA?

Ich bin in Hongkong aufgewachsen und habe den Großteil meiner Kindheit im Kino verbracht. Hongkong war eine britische Kolonie und wir konnten dort sehr viele amerikanische Filme sehen. Wenn ich heute durch die USA reise, ist das für mich immer auch eine cineastische Erfahrung. In New York oder Memphis sehe ich stets Bilder, die ich aus Kinofilmen kenne. Dieser Film gab mir die Chance, der amerikanischen Kultur meinen Tribut zu zollen.

Wie in vielen Ihrer Hongkong-Produktionen geht es auch diesmal um die Liebe. Inwiefern unterscheidet sich der Umgang mit der Liebe in der amerikanischen und chinesischen Kultur?

In verschiedenen Kulturen wird Liebe unterschiedlich zum Ausdruck gebracht. Vor zwanzig Jahren sagte in China niemand „Ich liebe dich“. Das wäre ein Affront gewesen. Eine Berührung genügte.Im Westen hingegen muss man „Ich liebe dich“ sagen, wenn man dieses Gefühl empfindet.

Wirkt Ihr Film deshalb emotional direkter als frühere Werke?

Ja, sicher. Das ist ein Film über Amerikaner, und sie sollen sich darin so benehmen, wie sie es normalerweise tun. Ich habe so viele Filme über China von westlichen Filmemachern gesehen, die für uns Chinesen sehr bizarr wirkten. Diesen Fehler wollte ich umgekehrt nicht wiederholen.

Elizabeth begibt sich auf eine Reise, um eine Liebe zu vergessen. Auf welche Reise haben Sie sich mit „My Blueberry Nights“ begeben?

Elizabeth versucht, Zeit zu gewinnen, und mit meinem Film verhält es sich ähnlich. Ich habe den Film außerhalb Hongkongs gedreht, weil ich Zeit gewinnen wollte, um mit den Umwälzungen in Hongkong zurechtzukommen. Hongkong hat sich nach 1997, nach dem Ende des britischen Mandats, stark verändert, dieser Prozess ist noch längst nicht beendet. Das Gleiche gilt für China. Ich wollte einen Film außerhalb Hongkongs machen, um ein wenig Distanz zu bekommen.

Interview: Martin Schwickert

WONG KAR-WAI, 59, ist der bekannteste Regisseur des Hongkong-Kinos. Wichtige Filme: „Chungking Express“ (1994), „In the Mood for Love“ (2000), „2046“ (2004).

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