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''Tengri'': Steppenblick

Kirgisische Weite: Der Film „Tengri“ der französischen Regisseurin Marie Jaoul de Poncheville basiert auf der Novelle „Dshamilja“ von Tschingis Aitmataov.

Amira, die wilde Reiterin, und Temür, der Fischer: Sie treffen sich in den kirgisischen Bergen, und schon beginnt eine Liebesgeschichte, wie sie in die malerische Gebirgswelt zu passen scheint: wortkarg, leidenschaftlich, gefährlich, romantisch – vor dem Hintergrund endloser Steppen und verschneiter Berge, darüber ein Himmel von klarem, süchtig machenden Blau. Schafe und Pferde grasen auf den saftig-grünen Wiesen; hin und wieder zieht ein Adler seine Kreise.

Die französische Regisseurin Marie Jaoul de Poncheville hat versucht, den Landschaftsbeschreibungen des kirgisischen Schriftstellers Tschingis Aitmatow mit weiten Totalen, mit Bild- und Tonaufnahmen von anscheinend unberührter Natur gerecht zu werden. Aitmatows Novelle „Dshamilja“, auf der ihr Film basiert, ist 1958 entstanden und spielt im Kriegsjahr 1943. Die Männer sind an der Front, Frauen und Kinder im Bergdorf geblieben; der Geliebte der Heldin ist ein Kriegsinvalide.

Poncheville hat die Geschichte in die postsozialistische Gegenwart verlegt und Aitmatows Schilderungen vom harten, naturverbundenen Alltag der ehemaligen Nomaden in einen Bilderbogen aus exotisch-kitschigen Sehnsuchtsmotiven verwandelt: Die Frauen tragen Röcke und Kopftücher in gesättigten, bunten Farben und sitzen in kuscheligen Zelten. Sie sind stolz und schön, ihre niedlichen Kinder werden in emotionalisierenden Großaufnahmen gezeigt. Lämmer und Zicklein umspringen die Siedlung, man singt und tanzt. Alles wäre schön ohne die gelegentlich heimkehrenden Männer. Sie kämpfen als Gotteskrieger in Afghanistan, und wenn sie nach Hause kommen, saufen und prügeln sie. Mit so einem ist Amira verheiratet, und dass der keinen Nebenbuhler duldet, versteht sich. Das Liebespaar flieht.

Die Regisseurin hat bereits in Tibet und der Mongolei gedreht – an Originalschauplätzen und teils mit Laiendarstellern. Da war Aitmatows „Dshamilja“ ihr wohl willkommen, um erneut im anscheinend Unberührten und mythisch-mystischer Exotik zu schwelgen. Das Ergebnis sind Klischees. Denn wer glaubt, fremde Kulturkreise und gewachsene Traditionen mit westeuropäischem Selbstverständnis entschlüsseln zu können, verfällt nur einer Illusion. Daniela Sannwald

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