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The Good, the Bad, the Weird: Durch die wilde Mandschurei

Hauptsache, es staubt, raucht und zischt: Kim Jeewoons' Eastern-Spektakel"The Good, the Bad, the Weird" ist herrlich maßlos und ausgezeichnet fotografiert.

Ein brutaler Bandit, ein einsamer Kopfgeldjäger und ein unkaputtbarer Kleinganove machen Jagd aufeinander. Einer hat die Schatzkarte. Die anderen wollen sie haben. Ihnen auf den Fersen: die japanische Armee, chinesische Unabhängigkeitskämpfer, vermutlich auch die Yakuza und ein Mann mit einem großen Hammer. „Weißt du, was los ist?“, fragt der Rebellenführer einen seiner Krieger. Er weiß es nicht.

Die Mandschurei der 1930er Jahre: ein weites Niemandsland, Pufferzone zwischen China, Russland und der Kolonialmacht Japan. Ein Sammelbecken für Vogelfreie, Gauner, Lebenskünstler – und Koreaner, die sich den japanischen Besatzern ihres Landes entziehen. Der Bandit zum Beispiel. Der Kopfgeldjäger. Und der Kleinganove. Männer ohne Land in einem Land ohne Gesetz. Ganz klar: Die Mandschurei ist des Ostens Wilder Westen.

Der koreanische Regisseur Kim Jeewoon ist nicht der Erste, dem das auffällt. In den sechziger Jahren war der „Manchurian Western“ sogar ein florierendes Genre in Korea. Kims Film „The Good, the Bad, the Weird“ ist vom Titel her als Hommage an Sergio Leones SpaghettiWestern zu verstehen. Aber auch der Versuch, ein klassisches Genre des koreanischen Kinos neu zu beleben.

Denn Koreas Filmwelt braucht Impulse, in kreativer wie in finanzieller Hinsicht. Nach einer Reihe von goldenen Jahren liegt die Filmindustrie am Boden. Zu viel Ramsch wurde überhastet produziert, schmerzhafte Flops waren die Folge. Weil jetzt kaum noch jemand investiert, entstehen kleine Filme nur noch mit allerkleinsten Budgets. Das Ereigniskino aber wird mit Höchstbeträgen ausstaffiert: 17 Millionen Dollar standen Kim Jee-woon zur Verfügung. Für eine Industrie, deren Filme deutlich weniger kosten als in Hollywood, ist das ein ganz dicker Batzen.

Eine Bürde – aber wenn’s ums Genre geht, ist Kim Jee-woon Koreas Mann der Stunde. Mindestens zwei moderne Klassiker hat er bereits geschaffen: einmal Geisterhorror („Tale of two Sisters“, 2003) und einmal Film Noir („A Bittersweet Life“, 2005). Jetzt macht er sich den Western zu eigen und vermischt dabei spielerisch europäische mit asiatischen Elementen. Wollte man Kim aber mit den Genrehoppern des Westens vergleichen, dann erinnert seine Arbeit weniger an Tarantinos kaltes Cineasten-Futter als an die lebhaften Filme von Danny Boyle.

Ein herrlich maßloses und ausgezeichnet fotografiertes Spektakel ist entstanden, ein Film mit Stil, Tempo, Humor und teils atemberaubenden Actionsequenzen. Es gibt eine ausführliche Schießerei auf einem Schwarzmarkt, für die sich nicht nur der Held, sondern auch der Kameramann selbst auf Seilwinden und Flaschenzügen über die brüchigen Holzdächer geschwungen haben muss – schließlich ist unübersehbar, dass Computertricks hier nur sparsam zur Anwendung kamen. Der Höhepunkt des Films aber ist eine wüste Jagd durch Mandschuriens weite Ebene, unter Beteiligung von mindestens sechs Fraktionen unterschiedlichster Mannstärke. Ein Chaos auf Pferden, Motorrädern und Wüstenjeeps, angetrieben von Santa Esmeraldas flamencoseligem Disco-Hit „Don’t Let Me Be Misunderstood“. Manche der da Reitenden wissen nicht mal, auf wen sie eigentlich schießen oder warum – zwischen all dem Staub und dem Rauch und all den um die Ohren pfeifenden Kanonenkugeln. Drei sind am Ende noch übrig. Der Bandit. Der Kopfgeldjäger. Der Kleinganove.

All das ist so perfekt aufgesetzt, so virtuos inszeniert und elegant zusammengefügt, dass Kim Jee-woon ab sofort als einer der besten Actionregisseure unserer Tage zu gelten hat. Ein echter Klassiker ist „The Good, the Bad, the Weird“ leider dennoch nicht geworden. Das Problem ist nicht, dass der Gute (Jung Woo-sung), der Böse (Lee Byung-hun) und der Abgedrehte (Song Kang-ho) nur recht flache Ausstanzungen jener Archetypen sind, die der Filmtitel ankündigt. Das war schon bei Leone nicht anders. Das Problem ist vielmehr, dass die Hauptdarsteller, allesamt Megastars in ihrer Heimat, jenes Leinwandcharisma, das solche Figuren brauchen, nicht ganz zustande bringen. Ein wenig zu lang ist der Film außerdem. Ach, und dieser Schluss … Aber was macht das schon, wenn es sonst so viel zu staunen gibt.

In den Kinos Babylon Mitte und Eiszeit

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