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Dumm und Dümmer. Medi Sadoun und Ary Abittan als ungleiches Duo.

© Neue Visionen

Kinofilm „Alles unter Kontrolle!“: Festung Frankreich

Politisch fragwürdig: Die Abschiebekomödie „Alles unter Kontrolle!“ von Philippe de Chauveron setzt auf groben Klamauk.

Von Andreas Busche

100 Prozent. Das ist die Erfolgsquote des Grenzpolizisten José Fernandez (Ary Abittan), ein perfekter Lauf. Er überführt noch jeden Asylsuchenden und „Wirtschaftsflüchtling“ zurück in sein Herkunftsland. Auch seine Vorgesetzten erkennen diese Leistung an, Fernandez steht kurz vor der Beförderung zur Sondereinheit „Bandenkriminalität“, wo er es dann vermutlich mit jenen Migranten zu tun bekommt, die einer Abschiebung entweder entgehen konnten oder sich heimlich in sogenannten Parallelgesellschaften organisieren.

Man kann diese Blitzkarriere kaum glauben, denn richtig helle wirkt der spanischstämmige Vorzeigefranzose, dessen Eltern einst ihre Heimat verließen, auf den ersten Blick nicht. Auf den zweiten auch nicht. Fernandez verkennt selbst die bittere Ironie, wenn er erklärt, dass die Flucht seiner Eltern damals ja etwas ganz anderes gewesen sei als die Flucht jener Menschen, die er heute im Flugzeug in deren Heimatländer begleitet.

Gestrandet zwischen Europa und Afrika

Es geht in Philippe de Chauverons „Alles unter Kontrolle!“ also um den berühmten letzten Job. Einmal noch Kabul und zurück, dann beginnt für Fernandez ein neuer Karriereabschnitt. Pech nur, dass sich der kleinkriminelle Karzaoui (Medi Sadoun) auf seine straßenschlaue Art als cleverer erweist als sein Escortservice und dessen notgeiler Partner Gus. Was die beiden nicht ahnen: Die Identität Karzaouis ist falsch. Der Algerier, den die Männer überführen sollen, hatte einem polizeibekannten Afghanen den Ausweis gestohlen und war so blöd, sich erwischen zu lassen. Nun sitzt er unter falschem Namen mit den unterbelichteten Grenzpolizisten im Flugzeug. Nach einer unfreiwilligen Zwischenlandung auf Malta, auf halber Strecke zwischen Europa und Afrika, enden die drei in einem Ferienressort.

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Regisseur de Chauveron hat bereits Erfahrung beim Spiel mit gesellschaftlichen Ressentiments. Sein letzter Film „Monsieur Claude und seine Töchter“ war in Frankreich und Deutschland ein Sensationserfolg. Die Mischung aus kleinbürgerlichen Wertevorstellungen und konsensfähigem Alltagsrassismus, die der Film anhand eines strammen Gaullisten und dessen Verzweiflung über die ethnisch diversifizierte Partnerwahl seiner Töchter durchspielt, traf den Geschmack eines Publikums, das sich seine Ressentiments gerne humorvoll dosiert bestätigen lässt. „Was haben wir dem lieben Gott getan?“, lautet der Titel im Original. Nur entlarvt Rassismus sich nicht einfach selbst, indem man ihn ironisch verdoppelt. In „Monsieur Claude und seine Töchter“ bezeichnet sich der afrikanische Schwiegervater lachend als der größte Rassist. Eine verdrehte Vorstellung von Toleranz.

Versöhnt mit den eigenen Vorurteilen

Mit „Alles unter Kontrolle“ hat das insofern zu tun, als dass de Chauveron wieder nach einem ähnlichen Muster vorgeht, das gesellschaftliche Feld sich gleichzeitig aber verengt. Der Regisseur holt sein Publikum gewissermaßen da ab, wo er es mit „Monsieur Claude“ zurückgelassen hat: innerlich versöhnt mit den eigenen Vorurteilen. Dabei könnte man den Running Gag in „Alles unter Kontrolle!“, dass die Identität von Afrikanern und Afghanen auf der Flucht tatsächlich keine Rolle mehr spielt, weil ein Pass den Behörden nur die Ausweisung erleichtert, auch anders erzählen, ohne die humoristische Grundkonstellation aufzugeben. Dann hätte der Film vielleicht sogar eine interessante Satire über die europäische Abschiebe- und Abschottungspolitik werden können. Das amerikanische Unterhaltungskino beweist ja gerade seine einsame Klasse darin, noch die größte Schweinerei als böse Sittenkomödie zu erzählen. „Alles unter Kontrolle!“ will dagegen nicht mehr sein als eine Abschiebekomödie – eine konsequente Fortsetzung der jüngsten Welle von „Willkommenskomödien“.

Bezeichnenderweise hat de Chauveron das Personal seines letzten Films gleich übernommen. In „Monsieur Claude“ spielen Abittan und Sadoun die Schwiegersöhne, diesmal übernehmen sie die Rollen von Abschieber und Abzuschiebendem. Aber keine der Transferleistungen, die der Film anstrengt, geht in irgendeiner Weise auf. Die einzig interessante Wendung, als Fernandez und Karzaoui auf offenem Meer für Flüchtende gehalten und nach Lampedusa verfrachtet werden, löst der Film dramaturgisch hilflos auf. Jede im Ansatz vielversprechende Idee endet im groben Klamauk.

Man muss den Zynismus, der in der einfältigen Inszenierung von „Alles unter Kontrolle!“ mitschwingt, dem Regisseur gar nicht vorhalten. Philippe de Chauveron gibt sich gern als politisch völlig arglos. Das macht diese sogenannte Komödie umso ärgerlicher.

In 16 Berliner Kinos. OmU: Central, Intimes, Kino i. d. Kulturbrauerei, Moviemento

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