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Kirchner-Bild entdeckt: Der Wald und die Mädchen

Das Bild lag schon lange im Depot des Frankfurter Städel und galt als Fälschung. Jetzt ist klar: es ist von Ernst Ludwig Kirchner und kunsthistorisch besonders wertvoll.

Es ist Sommer 1910, drei Freunde machen einen Ausflug. Es geht ins Dresdner Umland, nach Moritzburg, mit dabei sind Mädchen, Pinsel und Palette. Man lagert am See, die Mädchen sitzen auf Handtüchern, die Freunde malen. Zwei Bilder sind bekannt, von Max Pechstein und Erich Heckel, mit nahezu identischem Blickwinkel, eine leichte Draufsicht auf die Freundinnen-Gruppe. Dass auch Ernst Ludwig Kirchner bei dem Ausflug dabei war, ist bekannt. Nun ist in Frankfurt am Main ein Bild mit dem gleichen Motiv aufgetaucht, von Kirchner signiert.

Bekannt war das Bild schon. Es lag seit ewigen Zeiten im Depot des Frankfurter Städel und galt als Fälschung, war deshalb auch nie eingehend untersucht worden. Zumal man nicht wusste, wie das Gemälde überhaupt ins Depot gekommen und wer der Eigentümer war. Nun hatte Felix Krämer, der Kurator der Kirchner-Ausstellung, die derzeit im Städel zu sehen ist (Tsp. vom 3. Juli), in Vorbereitung zur Ausstellung alles untersucht, was im Hause von Kirchner zu finden war, darunter auch die vermeintliche Fälschung. Dabei machte er eine aufregende Entdeckung: Auf der Rückseite des Bildes, mit weißer Farbe überstrichen, befindet sich ein weiteres Bild, ein weiblicher Akt, der auf die gleiche Zeit der Dresdner „Brücke“ zu datieren ist und Gegenstände zeigt, die aus Kirchners Atelier bekannt sind: eine Sitzbank mit geschnitzter Rückenlehne, ein Hocker, der Teppich. Auch hat Kirchner dieses Bild nicht später noch einmal „restauriert“ und bearbeitet, wie viele andere und auch das Bild auf der Vorderseite. Das macht es kunsthistorisch besonders wertvoll. Neuentdeckungen dieser Art seien bei Kirchner äußerst selten, erklärt Wolfgang Henze vom Kirchner-Archiv in Bern, der das Bild ebenfalls untersucht hat.

Dass der Fund noch nicht in der aktuellen Ausstellung präsentiert wird, erklärt Krämer mit Unsicherheiten, was Echtheit und Datierung angeht. Man wollte den zur Ausstellung angereisten Kirchner-Experten den Fall zunächst zur Begutachtung vorlegen. Alle kamen zum Schluss der Eigenhändigkeit, was sich auch in einem Versicherungswert von vier Millionen Euro niederschlägt. Sowohl die spätere Übermalung als auch die Tatsache, dass sich das attraktivere Bild, also der Akt, auf der Rückseite befindet, sprechen gegen eine Fälschung. Das Bild soll nun restauriert und zur Neueröffnung des umgebauten und erweiterten Städel im Herbst 2011 der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Vielleicht ergeben sich dann ja auch Hinweise darauf, wem das Werk gehört und wie es ins Städel kam. Christina Tilmann

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