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Kultur: Klangschürfer

Zum 80. des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt

Wer in die weit aufgerissenen Augen Nikolaus Harnoncourts blickt, der spürt instinktiv, was diesen Dirigenten bewegt: Es möge Gegenwart werden, was einst auf Notenpapier rann, entkleidet aller Entstellungen, bar jeder Bequemlichkeit. Der Weg dorthin: Widersprechen.

Harnoncourt sieht seinen infrage stellenden Geist als Erbe seiner Zeit: Am 6. Dezember 1929 wurde er in Berlin geboren und entging als Jugendlicher nur knapp den letzten Gefechten des Zweiten Weltkrieges. Er macht sich auf die Suche nach dem richtigen Klang und versucht, alten Instrumenten ihre Geheimnisse abzulauschen. „Die Harnoncourts sitzen daheim unter ihren teuren Geigen auf Apfelkisten und ernähren sich von Erdäpfeln und Salat“, erzählen sich gewisse Wiener Kreise verständnislos. Doch für Harnoncourt und seine Frau Alice beginnt eine Zeit aufregender Entdeckungen. Welche Instrumente meint Bach eigentlich?

Bis 1970 spielt ihr Ensemble Concentus Musicus Wien alle Konzerte aus handgeschriebenen Noten, selbst die legendäre erste Gesamtaufnahme der Bachkantaten. „Was kann man auf diesen alten Instrumenten machen? Was wollen die für einen Klang haben?“, fragt sich Harnoncourt, der für sein forschendes Musizieren den Begriff der historischen Aufführungspraxis weit von sich weist. „ Es war uns immer bewusst, wer hineinbläst, ist ein Mensch des 20. Jahrhunderts, und was herauskommt, ist nicht der Barockton, sondern ein Ton des 20. Jahrhunderts“, verrät der Dirigent im Booklet einer Doppel-CD (deutsche Harmonia Mundi), die nun zu seinem 80. Geburtstag erschienen ist.

Sie stellt Aufnahmen von drei Bachkantaten aus den siebziger Jahren jenen aus aktuellen Konzertmitschnitten gegenüber. Das Pathos der Entdeckerjahre weicht zurück und eine Selbstverständlichkeit entfaltet sich, wie sie nur andauernde Leidenschaft zutage fördern kann. Harnoncourt vermittelt sie packend: seinen Musikern, seinem Publikum, dirigierend, diskutierend.

Herbert von Karajan, der ihn 1952 als Cellisten für die Wiener Symphoniker verpflichtete, hat Harnoncourt längst in den Schatten gestellt: Zwei Generationen junger Musiker profitieren von seinen Fragen – und mehr CDs als der Medienstar Karajan hat er inzwischen auch aufgenommen. Zu seinem Jubeltag macht er sich für Haydns selten gespieltes Opernschaffen stark. Am Theater an der Wien dirigiert Harnoncourt „Il mondo della luna“. Eine Fantasiereise in Welten, die nur die Musik berühren kann. Ulrich Amling

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