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Kultur: Klangzimmer mit Aussicht

Die Fenster! Die Fenster sind absolut wichtig.

Die Fenster! Die Fenster sind absolut wichtig. Sie erlauben nämlich den Blick vom Mischpult auf den Himmel über Berlin. Dass das elektronische Studio der Technischen Universität keine fensterlose Klangwerkstatt ist, sondern an die lichtdurchflutete Manöverzentrale eines Raumschiffs erinnert, hat durchaus Symbolwert. Denn die 1953 geschaffene Einrichtung ist einer der wenigen universitären Orte, wo Theorie und Praxis wirklich tagtäglich zusammenwirken. "Unsere Besucher rekrutieren sich aus den unterschiedlichsten Fachbereichen", berichtet Studioleiter Folkmar Hein nicht ohne Stolz: Da sind Kommunikationswissenschaftler, die lernen wollen, wie sie am heimischen Computer Soundcocktails mixen können, da sind Künstler aus den Hochschulen, da sind Musikwissenschafter, die keine Lust haben, immer nur rückwärts zu schauen. Angehende Tonmeister holen sich hier ebenso Know-how wie Akustiker.

Und dann sind da natürlich die Komponisten, die mit ihren hier entstandenen Stücken den Ruf des Studios als eine der ersten Adressen für Avantgardemusik in Deutschland begründet haben: Vor allem die Kooperation mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst hat dafür gesorgt, dass Klangkünstler aus aller Welt hier zusammentreffen. Mit ihren Problemen bei der Umsetzung ihrer Ideen animieren sie zudem die Soundingenieure immer wieder zu praxisorientierten Erfindungen.

Geradezu legendär ist jener Konzertsaal in Kugelgestalt, den die Leute vom elektronischen Studio für die Weltausstellung 1970 in Osaka schufen. Die Acht-Kanal-Technik, mit der Karlheinz Stockhausen und Boris Blacher damals ihre Musikexperimente realisierten, wurde in Berlin entwickelt. Über den monströsen Kasten können Kenner heute nur schmunzeln. Die beiden Studios, in denen jetzt gearbeitet wird, glänzen dagegen mit feinster Ausstattung.

Hier sind die Werke entstanden, die am 24. Januar beim Ultraschall-Festival für neue Musik zu hören sind. Kirsten Reese, Bernd Franke, Georg Klein, Christina Kubisch und Kotoka Suzuki gehören alle zur jüngeren Generation von Komponisten, die sich intensiv mit elektronischer Musik befassen. Für das Konzert haben sie Stücke beigesteuert, die jeweils ein reales Instrument wie Saxophon, Flöte, Akkordeon oder Posaune mit einer Tonbandspur kombinieren.

Während Kotoka Suzuki ihrem Auftragswerk im großen Studio den letzten Schliff gibt, macht sich nebenan ein Akustiker an zwei Dutzend Lautsprechern zu schaffen. Er arbeitet an der Stereo-Nachfolgetechnologie: Während es beim Prinzip mit zwei Boxen immer nur einen einzigen Punkt im Raum gibt, an dem man ideal hört, will er durch rundrum angebrachte Lautsprecher-Paneele die Kugelwellen des Klangs so beeinflussen, dass sich der Hörer im Zimmer frei bewegen kann, ohne Qualitiätsabstriche beim Klang hinnehmen zu müssen. "Wer weiß, vielleicht gibt es bald Klangtapeten, die den perfekten Sound erzeugen können", sagt er und blickt durch das Studiofenster - in die Zukunft.

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