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Klassische Musik: Barenboim: Festliche Enttäuschung

Die Sorge muss benannt werden: Ist Daniel Barenboim als Musiker noch ganz bei sich selbst oder eher im Begriff, sein Renommee, das ein hohes Gut ist, zu verspielen?

In der Mitte der mit „Lohengrin“ eröffneten Festtage 2009 prangt und schmerzt das Deutsche Requiem von Johannes Brahms, ein Festtagsbrahms, ein opulenter Edelbrahms in der Philharmonie. Das heißt, dass er mit dem integrierenden Seidenklang beginnt, dessen Barenboims Staatskapelle und der Staatsopernchor mächtig sind. Ein Pianissimo, das abheben will bei der Wiederholung „Selig sind, die da Leid tragen“.

Dann aber nimmt der Abend seinen immer pauschaleren Verlauf. Es ist einer der acht Abende von „Lohengrin“ zu „Lohengrin“, für die Barenboim in dieser Woche persönlich eintritt, ohne den Stab abzugeben. Der Trauermarsch „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“ lastet schwer, anders, richtiger als Rattles beschwingte Lesart des Satzes, aber sehr breit. Davon profitiert der liebliche Gesang über den geduldigen Ackermann jedoch nicht, weil er zu wenig hellen Kontrast bietet.

Wenn Barenboim sich der fugierenden Teile des Werks annimmt, wirkt er wie ein erschöpfter Schwerarbeiter, der ein wenig Ruhe braucht, um wieder neu zu donnern. Bei dieser Aufführungspraxis kann Klang nicht differenziert sein, er schwankt ins Ungewisse. Hanno Müller-Brachmann, an der Lindenoper ein grandioser Amfortas, weiß im Besitz seiner Stimmkraft kaum etwas über das „Geheimnis“ des Paulusworts von der Verwandlung, während Chen Reiss mit ihrer Glockenhöhe alle „Traurigkeit“ überstrahlt. Der Maestro hegt ihre Töne wie kostbare Früchte. Die Enttäuschung jedoch bleibt, dass Barenboim sich derzeit vom Paket seiner Pflichten erdrücken lässt. Wo bleibt der Musiker des unerhörten Augenblicks? 

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