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Ein Magier am Klavier: Der Frankokanadier Marc-André Hamelin.

© Fran Kaufman

Klavierfestival Berlin: Zwanzig Finger hext er sich herbei

Virtuos, leicht, punktgenau: Der pianistische Superstar Marc-André Hamelin übertrifft beim Berliner Klavierfestival mal eben all seine Zeitgenossen.

Dass Marc-André Hamelin zu den pianistischen Superstars gehört, hat sich allmählich herumgesprochen: Bei seinem Auftritt beim Berliner Klavierfestival platzt der kleine Saal des Konzerthauses aus allen Nähten. Der Kanadier genießt die intime Atmosphäre und den engen Kontakt zum Publikum, das seine Klangzaubereien enthusiastisch entgegennimmt. Sein klug aufgebautes, ebenso virtuos wie sensibel gestaltetes Programm enthüllt den Sinn des kleinen Festivals, das schon zum vierten Mal mit sehr eigenen Pianistenpersönlichkeiten den Berliner Mainstream belebt: Wie verschieden kann ein Flügel klingen, wie zeigen sich Gelingen oder Scheitern unter scheinbar gleichen Bedingungen?

Hatten Yevgeny Sudbins Skrjabin-Interpretationen noch mit klanglichen Härten zu kämpfen, spielte auch Konstantin Lifschitz in seinen geistvollen Goldberg-Variationen noch gegen das Instrument an, so entlockte ihm der bei uns noch ganz unbekannte Yuri Paterson-Olenich bestrickende Farbvaleurs. Doch Hamelin übertrifft sie alle – vielleicht nicht an Tiefsinn oder Gestaltungswillen, doch mit einer alle Grenzen sprengenden Virtuosität und zugleich klaren Durchdringung, deren Geheimnis Leichtigkeit ist. Der funkelnde Spott der B-Dur-Sonate, die Joseph Haydn zum Vergnügen einer 16-jährigen Esterhazy-Prinzessin schrieb, entfaltet sich erst so richtig bei der prickelnden Präzision der Läufe, punktgenau gesetzten Akzenten und scharf kontrastierter Dynamik.

Funkelnder Spott und Leichtigkeit

Mit unvermuteter Sanftheit erklingt danach ein unveröffentlichtes Andante von John Field, dessen Nocturnes Chopin inspirierten – hier Bindeglied nicht zum polnischen Romantiker, sondern zu den Adaptionen, die Leopold Godowsky von dessen Etüden für die linke Hand allein vornahm. „Schnell und grifffreudig“ soll die Linke dieses Klaviergenies gewesen sein – was Hamelin etwa in der berühmten „Revolutionsetüde“ dem ohnehin schon schwierigen Passagenwerk an Akkorden und Sprüngen hinzuzufügen hat, die stets Transparenz und melodischen Zusammenhang zu wahren haben, grenzt an Hexerei. Den grandiosen Schlusspunkt setzt „Venezia e Napoli“ von Franz Liszt, voll halsbrecherischer Repetitionen in der „Tarantella“, für die man wohl zwanzig Finger braucht.

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