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Kultur: König Gilgameschs Kämpfe Das Poesiefestival endet mit einem Ur-Epos

Erheblich älter als die Bibel ist das Gilgamesch-Epos, so alt wie die homerischen Epen seine maßgebliche Fassung. Erst vor hundert Jahren aber wurde es wiederentdeckt.

Erheblich älter als die Bibel ist das Gilgamesch-Epos, so alt wie die homerischen Epen seine maßgebliche Fassung. Erst vor hundert Jahren aber wurde es wiederentdeckt. Kein Wunder, dass heute noch einiges rätselhaft ist, wovon die altbabylonischen Tafeln erzählen. Die zwangsläufig geraffte Theaterfassung, die nun von der Ernst-Busch-Schaupielschule auf die Bühne des HAU 1 gebracht wurde, bewahrt zum Glück auch dunkle Stellen, ohne die man sich die Atmosphäre des Stücks nicht vorstellen mag. Die spannungsgeladene Nachdichtung Raoul Schrotts, die als Grundlage diente, ist schon deutlich genug auf ein heutiges Publikum hin geschrieben.

Wer das Gilgamesch-Epos nicht kennt, wird staunen, was und wie viel darin geschieht, sei es die Erschaffung des Tiermenschen Enkidu, König Gilgameschs Gefährte, seien es die Kämpfe der beiden mit Humbaba, dem Wächter des Zedernwalds, oder sei es Gilgameschs Suche nach einer Art heiligem Gral, seiner Odyssee, auf der er zuletzt einem Widergänger Noahs begegnet.

In der Theaterfassung werden die Handlungselemente stark gemacht, allerdings ohne dass sie direkt dargestellt würden. Regisseur Sebastian Martin hat zu Recht auf die Kraft der Sprache vertraut. Mit Witz und Pathos deklamieren seine Darsteller über weite Strecken ins Publikum. Und wo sie in Aktion treten, ist ihr Spiel trotz mancher Textunsicherheit durchweg respektabel. Der stete Rollenwechsel, den sie untereinander vornehmen, verleiht den Figuren eine je unterschiedliche Färbung. Die eigentlich starren Persönlichkeiten werden auf diese Weise aufgebrochen. Als Schlusspunkt des Poesiefestivals, das eine Woche lang 77 Dichter aus 22 Ländern vor ingesamt fast 11000 Menschen präsentierte, hätte man sich nichts Schöneres wünschen können. Was zeugt besser von der Lebendigkeit der Poesie als ein Saal voller Menschen, der 5000 Jahre alten Versen gebannt folgt?

Tobias Lehmkuhl

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