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Kultur: Körper ohne Geist

Mit Spannung erwartet: Stefan Puchers "Bodycheck" in FrankfurtVON RUTH FÜHNERSeit Stefan Pucher 1997 im handverlesenen Theaterprogramm der documenta X firmierte, ist sein Kurswert auch über das Stammpublikum der Berliner Volksbühne und des Frankfurter TAT hinaus rapide gestiegen.Das schafft Erwartungsdruck.

Mit Spannung erwartet: Stefan Puchers "Bodycheck" in FrankfurtVON RUTH FÜHNERSeit Stefan Pucher 1997 im handverlesenen Theaterprogramm der documenta X firmierte, ist sein Kurswert auch über das Stammpublikum der Berliner Volksbühne und des Frankfurter TAT hinaus rapide gestiegen.Das schafft Erwartungsdruck.Die Folgen sind Puchers jüngstem Frankfurter Projekt "Bodycheck" deutlich anzumerken.Was er, nach einer Premierenverschiebung, im Bockenheimer Depot zeigte, war lediglich als "Material" etikettiert, als Masse also, die noch zu reduzieren, in eine Form zu bringen wäre.Nur: viel wird wohl danach nicht übrigbleiben von dieser cultural study über das schleichende Eindringen medial vermittelter Bilder ins Körperbewußtsein der Gegenwart.Vielleicht der Raum: ein Laufsteg, um den sich das Publikum herumbewegen muß wie um eine Skulptur - ein Körper, um den andere Körper ihre Bahn ziehen.Und die Bilder mächtiger Wellen auf acht riesigen Videoprojektionswänden, die das Körpergefühl bei längerem Hinsehen strapazieren, seekrank machen.Sicherlich Charles, der elegante 84jährige, der mit brüchiger Stimme vom Matrosenleben, von durchtanzten Nächten und blutigen Füßen erzählt.Vielleicht auch Thorsten, der durchgestylte Ex-Bodyguard und Bodybuilder, dessen pure Leiblichkeit alle Kunstanstrengung anstrengungslos unterläuft.Der Rest dieses "Materials" ist Lichtjahre entfernt von den intelligenten Theorien über Körper, Spiel und Identität, die Pucher in Interviews gern vor sich her wälzt.Seine elf Akteure, Schauspieler und Tänzer, beugen sich in Reklameposen, spielen Talkshow und geben Auskunft über die lebenswichtige Bedeutung von Sex und Toilettenpapier.Derweil flimmern Vorabendarien, Nachrichten und Videoclips über die Projektionsflächen - und es passiert das Fatalste, was passieren kann: der Abstand zwischen (theatraler) Präsenz und (TV-)Abwesenheit tendiert gegen Null.Alles ist eins, nur: das Fernsehen ist schöner.Zumindest in diesem Materialzustand ergibt sich Puchers Theater kampflos dem vorgefertigten Bild; Widerständigkeit, Exzeß, Ekstase des lebendigen Körpers sind darin nicht einmal als Erinnerung aufbewahrt.Geschweige denn als Versprechen für die endgültige Fassung von "Bodycheck".Schade eigentlich.Wer sieht schon gerne einen Shooting Star als Sternschnuppe verglühen ...

RUTH FÜHNER

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