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Vandalismus auf jüdischen Friedhöfen. Ein umgefallener Grabstein auf dem Chesed Shel Emeth Friedhof in einem Vorort von St. Louis, Missouri, am 21. Februar 2017.

© Reuters

Kolumne "Trump und ich" (7): Handgel oder Holocaustwitze?

Amerika unter Donald Trump? Seit der Amtseinführung berichtet unsere New Yorker Autorin aus ihrem Alltag mit dem neuen Präsidenten. Heute: Trump und der Antisemitismus.

Es gibt wieder Hakenkreuz-Geschichten in New York, die erste hatte ein Happy End. Ganz normale U-Bahn-Fahrer kramten neulich ihre Fläschchen mit Hygiene-Handgel hervor – wir tragen alle dieses Desinfektionszeug mit uns herum in der irrigen Annahme, man könnte sich damit vor den Bazillen von acht Millionen New Yorkern schützen – und wischten und wienerten so lange an den Subway-Schmierereien herum, bis die Hakenkreuze verschwunden waren. Sind wir nicht toll?!

Dann erzählte Robert beim Dinner, dass der Kindergarten seines Enkels im jüdischen Gemeindezentrum wegen Bombendrohungen evakuiert werden musste. Es sei eine von über hundert Bombendrohungen innerhalb eines Monats gewesen. Das klang schon weniger nach Happy End. Auch nicht die Nachricht von den hundert jüdischen Grabsteinen, die in St. Louis geschändet wurden. Und von weiteren hundert in Philadelphia.

Langsam fällt den Leuten auf, dass Donald Trump bei solchen Gelegenheiten nicht einmal die üblichen Standardsprüche gegen Antisemitismus absondert. Als er die Juden nicht einmal am Holocaust-Gedenktag eigens erwähnte, begründete er das mit dem Satz, es habe ja auch andere Nazi-Opfer gegeben. Das ist etwa so, wie wenn man nicht sagen dürfte, dass man die Trump-Witze in „Saturday Night Live“ mag, bloß weil man auch die von John Oliver zu schätzen weiß.

Auch wenn Trump über den Antisemitismus spricht, klingt er wie ein Cartoon

Als Trump in seiner Kongressrede schließlich doch auf den Antisemitismus zu sprechen kam, hatte ich das Gefühl, wie bei der Rede insgesamt, den Trailer zu „Trump, the Movie“ zu sehen – demnächst auch in Ihrem Trump Tower. Irgendwie erinnerte er mich an „Die Schöne und das Biest“, bei dem neuen Film sind die Zeichentrickfiguren durch echte Menschen ersetzt. In der Politik sind jetzt umgekehrt die Menschen durch Zeichentrickfiguren ersetzt.

Das Problem ist nur, sie sind nicht lustig. Deshalb müssen „Saturday Night Live“ und John Oliver die Cartoons wieder in Menschen zurückverwandeln. Den Film gucke ich mir gerne an, den originalen, lustigen Nicht-Holocaust-Film mit echten Figuren.

Im Film "The Last Laugh" erzählen Holocaust-Überlebende Holocaustwitze

Und jetzt auch noch das: Anfang März startete im Lincoln Plaza Theater am Broadway „The Last Laugh – Wer zuletzt lacht“. Wer Filme mag, in denen Holocaust-Überlebende hunderte von entsetzlich komischen Holocaustwitzen erzählen, ist hier genau richtig. Kein Witze-Erzähler ist jünger als 90, die Ästhetik der Bilder wird von Runzeln dominiert, und es sind die allergeschmacklosesten Witze. Aber das ist gerade der Punkt. Wenn ich nackt in der Schlange vor der Gaskammer stehe, ziehe ich dann immer noch den Bauch ein? So Sachen.

Ich habe dem Weißen Haus eine Mail geschickt. Sie sollen für Trumps Chef-Antisemiten Steve Bannon eine Vorführung von „The Last Laugh“ organisieren, damit er eine Ahnung von jüdischer Ausdauer bekommt. Wie geht noch der Witz über jüdische Feiertage? Sie beginnen alle mit demselben Gebet: Sie wollten die Juden töten, es hat nicht geklappt, haut rein.

Unsere Autorin Marcia Pally lebt in New York. Sie lehrt dort Multilingual Multicultural Studies an der New York University. Übersetzung: Christiane Peitz

Marcia Pally

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