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Kultur: Konjunktur: Christine Scheel im Interview: "Wir haben die niedrigsten Steuern in ganz Europa"

Christine Scheel (44) ist Haushaltsexpertin der Grünen und seit November 1998 Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag. Frau Scheel, die Konjunktur lahmt.

Christine Scheel (44) ist Haushaltsexpertin der Grünen und seit November 1998 Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag.

Frau Scheel, die Konjunktur lahmt. Außenhandelspräsident Börner hat in der Regierung den Schuldigen entdeckt. Die hätte andere Signale geben müssen. Richtig?

Wir haben positive Effekte, zum Beispiel durch die Umsetzung der ersten Stufe der Steuerreform mit einer Entlastung von 45 Milliarden Mark. Diese Signale sind anscheinend bei der Wirtschaft nicht angekommen.

Die Unternehmen beklagen zu starke Regulierung, besonders des Arbeitsmarktes.

Die fühlen sich natürlich durch das Betriebsverfassungsgesetz, die Teilzeitregelung und die Gleichstellung der Frauen zu stark reguliert. Die wollen das lieber über Selbstverpflichtungen machen. Dabei laufen die Diskussionen seit Jahren. Die Wirtschaft hätte längst die Möglichkeit gehabt, die Lage zu verbessern, zum Beispiel für Frauen. Wir sind im internationalen Vergleich abgeschlagen.

Ist es gut für die Konjunktur, wenn man den Kündigungsschutz in Deutschland schwächt?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass man über Deregulierung die Konjunktur ankurbeln könnte. Der Kündigungsschutz hat sich ja bewährt, man muss in diesem Abwägungsprozess zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und denen der Arbeitgeber eben Lösungen finden. Ich höre aus der Praxis nicht, dass es damit Probleme gibt.

Viele Betriebe lassen lieber ihre Belegschaft Überstunden machen, als neue Leute einzustellen - weil sie die in der Flaute dann nicht loswerden.

Ja, das ist besonders im Handwerk ein Problem, weil die Auftragslage dort sehr stark schwankt. Da brauchen die den Freiraum, auch mal befristet einzustellen. Das ist ja auch möglich. Wir haben es eingeschränkt - es wäre zu überlegen, ob hier noch mehr Flexibilität möglich wäre.

Manche meinen auch, die Ökosteuer sei absolutes Gift für die Wirtschaftslage.

Die Ökosteuer hat Arbeitsplätze geschaffen und für einen Technologieschub gesorgt. Ein weiterer positiver Effekt ist der Klimaschutz. Einzelne Branchen, zum Beispiel der Heizungsbau und die Solartechnik, sind zu Boombranchen geworden. Und Häuslebauer bekommen Zulagen für umweltfreundliche Einbauten.

Die CDU fordert zur Belebung jetzt Steuersenkungen. Ist das sinnvoll?

Vor allem ist es nicht erlaubt. Die CDU will ja die nächsten Stufen der Steuerreform vorziehen. Das rechne ich Ihnen jetzt mal vor: Die zweite Stufe kostet 13,5 Milliarden, die dritte zusätzlich 38,5 Milliarden. Das sind 52 Milliarden Mark Steuerausfälle bis 2005. Wenn wir das vorzögen auf 2002, hätten wir einen Haushalt, der gegen die Verschuldungsgrenze des Maastricht-Vertrags verstößt. Und es hätte verheerende Wirkung für das Vertrauen in die Finanzpolitik, denn es würde die Verschuldung weiter hochtreiben.

Was will die Regierung tun, um den Motor wieder anzukurbeln?

Wir müssen deutlich machen, welche realen Entlastungen es schon gegeben hat. Wir haben jetzt die niedrigsten Steuern in ganz Europa. Wichtig ist, den psychologischen Effekt zu erzeugen, damit das auch wahrgenommen wird. Die Erfolge werden überschattet durch die Diskussionen zum Betriebsverfassungsgesetz und zu vielen anderen Punkten. So bleibt das Gefühl hängen, dass man ungerecht behandelt wird.

Frau Scheel[die Konjunktur lahmt. Außenhand]

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