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Faxenmacher. Nigel Kennedy

© EMI Music

Konzertkritik: Musik für Geige und Füße

Er spielt, wie er will. Der britische Geiger Nigel Kennedy barockt die Philharmonie

Der Künstler und das Publikum haben Spaß. Die Philharmonie, die nach ihrer Eröffnung 1963 den Spitznamen Zirkus Karajani trug, leistet sich heute mehr Zirzensisches, als es ihre strengen Hüter damals erlaubt hätten. Dafür sorgt der britische Geiger Nigel Kennedy, ein Punk von 58 Jahren. In flatterndem Habit und gelben Turnschuhen macht er sich daran, erneut die eingefahrenen Rituale des klassischen Konzertbetriebs zu sprengen. Daraus hat sich längst sein eigenes Ritual gebildet. Solokonzerte Johann Sebastian Bachs bringt er im Tourneegepäck mit, begleitet von der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg. Es ist Musik aus der Köthener Zeit des späteren Thomaskantors, weltfreudig, dabei mit unvergleichlichen Schönheiten, gipfelnd in dem Doppelkonzert für zwei Violinen BWV 1043. Hierfür hat Kennedy den russischen Geiger Michel Gershwin zur Seite, und der Partner sorgt dafür, besonders im Largo, dass der reine Bach-Ton des Hofkapellmeisters dominiert.

Mit Beleuchtungseffekten türkis und mauve gestylt, signalisiert der Konzertsaal den Ausnahmefall. Kennedys Kontakt mit seinen Fans zündet sofort, wenn er anfängt, sich mit einem „Freund“ und anderen Leuten in der ersten Reihe zu unterhalten. Er flüstert etwas von Menuhin, seinem Lehrer. Wie ein Comedian alter Schule täuscht er einen Einsatz der Musik vor, um noch ein Wort zu sagen, ehe er wirklich loslegt. Violinistisch folgt er keiner anderen Aufführungspraxis als seiner eigenen. Merkwürdig, dass er gern mit den Musikern vor jedem Schlussakkord eine Pause einlegt, zur Steigerung von dessen Feierlichkeit. Vier Konzerte – E-Dur, a-Moll, d-Moll mit Oboe und das für zwei Violinen: In diesem Fall bedeutet das zunächst zwölf Anlässe für Zwischen- oder Schlussapplaus, die der Geiger gern wahrnimmt, um sie mit Faxen zu füllen. An die Vortragsfolge fühlt er sich nicht gebunden, wohl aber an das Füllhorn seiner Möglichkeiten, sie mit improvisierten, ebenfalls gefeierten Einlagen anzureichern. Sein Geigenspiel?

Kaum außerordentlich, nicht selten flüchtig, bildet es eine Einheit mit den meist trampelnden, stampfenden Füßen des Entertainers. Vielleicht ist er ja auch so beliebt, weil er sich treu bleibt und nicht erwachsen wird.

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