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Kultur: Kopfball (27)

1:0, wie immer, und die Deutschen sind im Finale der Weltmeisterschaft. Ich bin ja dagegen, aber reden wir nicht mehr davon.

1:0, wie immer, und die Deutschen sind im Finale der Weltmeisterschaft. Ich bin ja dagegen, aber reden wir nicht mehr davon. Heute spielen die Türken, gegen Brasilien.

Zunächst aber meine drei schönsten Momente bei dieser WM:

1. Wie der senegalesische Bistro-Kellner im Intercity von Westerland nach Hamburg nach Bekanntgabe des Golden Goals gegen Schweden vor der Mikrowelle tanzte!

2. Wie ich mit meinem Nachbarn, dem Schauspieler Herrn Pilar von Pilchau aus dem zweiten Stock, bis zur 93. Minute grünen Tee für Irland trank – und es gegen die Deutschen tatsächlich noch nützte!

3. Und die Türken! Jawohl! Also, nicht unbedingt die türkische Mannschaft, sondern eine türkische Großfamilie hier in Berlin.

Es war Samstagnachmittag, und die Türken hatten den Senegal mit dem Golden Goal besiegt. Ich saß bei meinem Italiener und stellte mir gerade vor, wie der schwarze Bistro-Kellner im Intercity jetzt erstarrt vor der Mikrowelle steht. Da kam eine sechzehnköpfige türkische Familie herein: Großvater, Großmutter, Enkel, Schwager, Eltern, Babies, alle.

Die türkischen Männer in Anzügen, weißen Hemden, mit qualmenden Pfeifen; die Frauen mit Kopftüchern, aber elegant und festlich; die Babies in türkische Fahnen gewickelt.

Sie hatten alle einen Tisch beim Italiener bestellt und saßen nun mit leuchtenden Augen an der Tafel, während Pavarotti durch das Restaurant tönte. Pavarotti, der schon ausgeschieden ist.

Dann passierte folgendes: Der Großvater stand auf, schlug mit der Pfeife auf den Tisch und hielt eine Rede, in der er, wie mir später die Enkelin erklärte, mit der Eroberung Konstantinopels 1453 begann, die türkische Herrschaft über Kleinasien von Selim dem Ersten und Süleiman dem Zweiten skizzierte, dann zum Krimkrieg (1853-56) sowie den Balkankriegen (1912/13) hinüberwechselte, um dann, aus der Zypern-Krise und dem Nato-Beitritt 1952, in den glanzvollen 1:0 Sieg im Viertelfinale über den Senegal zu münden.

Eine historische, eine wunderbare Rede, die alle beklatschten. Und dann wurde gesungen, die Kinder musizierten mitten in den Pavarotti-Gesang hinein.

Und ich hab’ mitgetrunken. Es war herrlich.

Mal sehen, vielleicht hält ja der Großvater heute noch eine Rede.

Und am Sonntag noch eine!

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