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Kultur: Kopfball (9)

Ich habe mich verliebt. Letzte Woche.

Ich habe mich verliebt. Letzte Woche. Ich sah sie in einem Londoner Pub: locker, ironisch, halb proletarisch, halb adelig, fußballbegeistert bis an den Rand des Wahnsinns. Ich stand da, trank das nach Biotonne schmeckende Stout und fiel in Liebe – mit London, mit England, mit dem ganzen Empire. Gut, das gibt es nicht mehr. Aber man kann Dinge lieben, die es nicht mehr gibt. Man nennt das Sentimentalität.

Dass ich mich ausgerechnet in England in England verliebt habe, hat mich wohl zehn Euro gekostet. Nicht wegen des Stout, sondern hier, in der Redaktion. Da habe ich nämlich an der großen WM-Wette teilgenommen, Einsatz: zehn Euro. Und getippt habe ich mit dem Herzen: England wird Weltmeister. Nun konnten die Engländer das Spiel gegen Schweden nicht gewinnen. Und heute, oh Gott, heute geht es gegen Argentinien. Auch das Spiel, sagt unser Sportchef, könne nur Argentinien gewinnen. Wer etwas anderes sage, verstünde nichts von Fußball. Ich traue mich nicht, ihm zu widersprechen.

Unglücklich verliebt, trolle ich mich in mein Zimmer und schaue aus dem Fenster. Es regnet, wie schön. Wie englisch. Noch 40 Minuten bis zum Anstoß. Nervös klappere ich auf der Tastatur und gebe den Suchbefehl FDP ein. FDP/JUDEN steht in den Agenuturen, ungefähr hundert Mal. Das Neueste: „FDP kommt nicht zur Ruhe.“ Und: „Pieper fordert neue Entschuldigung“. Wäre Möllemann bei der WM und würde sich so benehmen, er wäre schon wieder zuhause. Weil er ständig den „Diver“ spielt, so tut, als sei er gefoult worden. Und nachtritt.

Das ist auch ein Grund, sich in England zu verlieben. Die haben solche Debatten nicht. Sie haben Beckham. Noch Minuten bis zum Anstoß. Draußen regnet es noch immer. Ein gutes Omen. God save the Queen.

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