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Kultur: Kopfüber durch die Nacht

Späte Bilder von Bernard Schultze in der Zellermayer Galerie

Wie lässt sich der lautlose Schlag eines Fledermausflügels malen? Das Rascheln der faltigen Flughäute? Samtig violett hängt das Nachtwesen bei Bernard Schultze kopfüber im Zentrum der Leinwand. Perlmuttfarbene Linien sirren durch die Luft, verbinden sich mit Gelb und Grün. Im Hintergrund besänftigt nachtblaue Dämmerung den Aufruhr. Das Bild „Fledermaus Flügel“ ist fünf Jahre vor seinem Tod 2005 entstanden. Doch der dunkle Vorbote löst in Schultzes vitaler Farbwelt nur ein Echo aus. Die Zellermayer Galerie zeigt späte Ölbilder und Aquarelle dieses Meisters des deutschen Informel. Mit der barocken Farbpracht scheint Schultze zu seiner frühesten visuellen Erinnerung zurückzukehren: in seiner Kindheit, schreibt er, sei ihm die summende, wimmelnde Fülle der Natur aufgefallen.

Lange aber bestimmen modrige Töne sein Werk. Als Soldat in Russland zeichnet er verbrannte Leiber und stöhnende Verletzte. In den Szenen begegnen ihm die düsteren Visionen seiner Vorbilder: Alfred Kubin und James Ensor. Nach dem Krieg löst sich mit dem Informel bei Schultze „ein Freudenschrei“, schreibt er. Wie Jackson Pollock legt er die Leinwand auf den Boden. Aus Geldmangel verdünnt er die Farben, verbindet die entstehenden Seen mit Linien und folgt dem inneren Fluss seines Unterbewusstseins. Als sich unter den nassen Farben die Leinwand buckelt, bilden sich die ersten Reliefs. Später erwachsen daraus Schultzes legendäre „Migofs“. Eine dieser Chimären aus dem Nachlass von Heinz Ohff ist in der Galerie zu sehen. Das drachenähnliche Wesen hat sich aufgerichtet, der prächtige Schweif schillert blaugrün wie Aas. Wie ein Höhlenforscher kann man mit den Augen den verzweigten Gängen des labyrinthischen Körpers folgen.

Schultzes Erzählweise setzt sich bei der jüngeren Generation fort, Katharina Grosse etwa hat ein ähnliches Vertrauen zum Klang der Farbe. Die „Migofs“ verbinden „das Grässliche mit dem Blühenden“. In der späten Malerei ist der Zweikampf entschieden. Zwar hält die mentale Kraft nicht immer die gesamte Fläche zusammen. Aber am Ende seines Lebens scheinen Schultzes Farben über den Tod zu triumphieren. Simone Reber

Zellermayer Galerie, Ludwigkirchstr. 6; bis 22.3., Mo-Fr 12-18 Uhr, Sa 11-15 Uhr.

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