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Kultur: Koran, extracool

Michael Muhammad Knights Roman „Taqwacore“.

Gibt es einen westlichen Islam? Sind muslimische Werte und westlicher Lebensstil Widersprüche? Mit seinem Muslim-Punk-Roman „Taqwacore“ zeigt der US-Amerikaner Michael Muhammad Knight, dass es möglich ist, den eigenen Glauben nach ganz individuellen Regeln und Vorstellungen zu leben. „Taqwacore“, eine Zusammensetzung aus Hardcore und dem arabischen Wort für Frömmigkeit, wird zum Sinnbild für einen selbstbestimmten Umgang mit dem Islam.

Schauplatz ist eine muslimische Punk-WG in Buffalo. Die Richtung Mekkas zeigt ein Loch in der Wand an, während der Koranlektüre genehmigt man sich schon mal einen Joint, und das Gebet wird von einer Frau in einer mit Punkaufnähern verzierten Burka geleitet. Sex und Alkohol sind auf endlosen WG-Partys ebenso wenig ein Tabu wie der Moscheebesuch in Begleitung eines schwulen Freundes.

Mitten im Getümmel steht der junge Ingenieurswissenschaftsstudent Yusef, der im Zusammenleben mit der Horde tätowierter Punks vor allem eines erkennt: „Gute“ Muslime sind seine Freunde nicht, „aber sie liebten Allah mit einer verrückten Leidenschaft, die über den verschlafenen, geistlosen Ritualismus und die dummen Fantasien des Islam hinausging.“ Trotz ihres extremen Lebensstils sind sie doch alle gläubige Muslime, eben jeder auf seine Art. Islam und Punk haben letztlich mehr gemeinsam als erwartet: Sie repräsentieren kein festgeschriebenes Dogma, sondern Ideen, die unterschiedlich auslegbar sind.

„Taqwacore“ ist eine rasante und radikale Lektüre, die von einem Extrem ins nächste führt. Michael Muhammad Knight gelingt die Balance auf einem schmalen Grat zwischen Provokation und Progressivität – darin liegt die Besonderheit dieses Buches. Der Autor selbst wuchs in einer katholischen Familie auf, konvertierte als Jugendlicher zum Islam und erwog, sich dem Dschihad anzuschließen. „Taqwacore“ verstand er ursprünglich als Absage an den Islam, an dem er mit der Zeit zu zweifeln begann. Stattdessen wurde Knight mit seinem 2004 in den USA erschienenen Roman zum Vorreiter einer neuen Bewegung: Die „Taqwacore“-Szene wirkt so verblüffend echt, dass es sie in der Realität einfach geben muss. Sina Schroeder

Michael Muhammad Knight: Taqwacore. Roman. Aus dem Amerikanischen von Yamin von Rauch.

Rogner und Bernhard, Berlin 2012.

306 Seiten, 19,95 €.

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