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Kultur: Kreuzberggipfel

Großes Preisglück im Ballhaus Naunynstraße

Am Donnerstagabend hatte im Berlin-Kreuzberger Ballhaus Naunynstraße eine neue Aufführungsserie von Nurkan Erpulats und Jens Hilljes „Verrücktem Blut“ begonnen. Inzwischen ist das Stück des aus Ankara stammenden Berliner Regisseurs und des früheren Chefdramaturgen der Schaubühne: Kult. „Verrücktes Blut“ (Tsp vom 11.9.) wird in alle Welt eingeladen und gilt als heißer Tipp für das nächste Berliner Theatertreffen. Doch dann passiert nach der Vorstellung etwas Überraschendes. Noch bejubelt das aus Szene-Kiez und allgemein Neugierigen gemischte Publikum die zwei tollen Stunden, in denen eine Schulklasse alle jüngeren Integrationsdebatten vom Kopf (und Tuch) auf die tanzenden Füße stellt. Mit wehenden Haaren, fliegenden Fäusten und Flüchen – und glänzenden, wahrhaft schlagfertigen Dialogen. Zwischen Kanaksprak und Schillerdeutsch. Womit die „Verrückte Blut“-Schülertruppe auch alle Sarrazine und Anti-Sarrazine sowie die wechselnde Political Correctness von Islam-Verstehern und Islam-Gegnern glatt an die Wand spielt. Plötzlich aber stimmt das achtköpfige Ensemble aus jungen türkisch-kurdisch-arabisch-deutschen Akteuren, angeführt von der furiosen Sesede Terziyan als Lehrerin, Bildungsterroristin und Lebensretterin, in den Beifall hinein ein Geburtstagsständchen auf die Leiterin des Ballhaus Naunynstraße an, und die fabelhafte Theaterfrau Shermin Langhoff ist entsprechend gerührt. Nun erhebt sich noch ein Herr in der ersten Reihe, stellt sich vor als Vertreter der Hamburger Alfred Toepfer Stiftung und teilt mit, dass der jährliche Hauptpreis der Stiftung – die mit 75 000 Euro höchstdotierte deutsche Kulturauszeichnung – soeben Shermin Langhoff für ihre „innovative und integrative“ Theaterarbeit zuerkannt worden sei. So war Kreuzberg an diesem Abend ein bisschen reich und sexy. P.v.B.

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