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Kultur: Krisenfest

Die lange Nacht der Akademie der Künste

Entschiedenheit ist gefragt. Steht man auf Seiten der Revolution oder der Reaktion, ist man Aufklärer oder Monarchist? Eigentlich, erzählt Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste, mit der ihm eigenen Ironie, habe er seine Eröffnungsrede zur langen Nacht mit dem Ruf enden lassen wollen: „Es lebe die Aufklärung! Nieder mit dem König, nieder mit der Guillotine!“ Hat er dann aber gelassen und auf den Seitenhieb auf Martin Mosebachs derzeit umstrittene Büchner-Interpretation verzichtet.

„Von Krise redet niemand mehr“, stellt der glückreichere Nachfolger von Adolf Muschg in der Halbzeitbilanz seiner Präsidentschaft zur Lage der Akademie fest. Womit er ja recht hat. Aber inwieweit kann die knapp an der Selbstdemontage vorbeigeschrammte Künstlersozietät wieder gesellschaftliche Relevanz beanspruchen? Staeck verweist auf 15 Akademiegespräche, mit denen in kulturpolitische Debatten eingegriffen worden sei. Er selbst gibt sich Mühe, nichts auszulassen: In akrobatischen Volten schlägt er den Bogen von Eva Herman über den Rapper Bushido zu raffgierigen Managern. Eine Mischung aus Kabarett und SPD-Parteitag, die in dem von Frank Michael Beyer entliehenen Zitat gipfelt: „Wir leben in einem Zeitalter der Albernheiten.“ Apropos Zeit: Will Staeck sich sein aufwendiges Ehrenamt für eine zweite Amtsperiode ab 2009 zumuten? Dazu meint Staeck nur, dass seine Kunst derzeit zu kurz komme – und dass es nichts Schlimmeres gäbe, als auf eine Wiederwahl „angewiesen zu sein“.

Bei der gut besuchten langen Nacht wird ohnehin nicht die Zukunft verhandelt. Was vorab bei der Mitgliederversammlung geschah, nennt Staeck lächelnd „eine lebhafte Diskussion über die Moderne“. Der Rest des Abends ist Vergangenheit. Man kann bewundern, wie Otto Sander vor 44 Jahren aussah: In Roland Klicks Kurzfilm „Ludwig“, einem Jeunesse-dorée-Drama aus Niederbayern, wurde der Mann mit der markanten Stimme synchronisiert, weil er des Dialekts nicht mächtig war. Schauspielkollege Ulrich Matthes möchte wissen, welche Träume er einst von seinem Beruf hatte, worauf Sander vom ersten Gespräch mit einem Dramaturgen erzählt, der „auch schon verstorben“ sei. „Wieso auch?“, fragt Matthes amüsiert. „Naja“, so Sander trocken, „die Einschläge kommen näher.“ Man muss die beiden leider verlassen, wegen Martin Mosebach. Im Plenum soll hitzig mit ihm debattiert worden sein, nun liest er kommentarlos aus seinem Werk. Was von majestätischer Vornehmheit zeugt. Patrick Wildermann

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