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Kultur: Kultur zum Letzten

Olympia-Tagebuch (9)/ Von Petros Markaris

Es wurde über alles gesprochen. Über uns Griechen, die allen Prophezeiungen zum Trotz die Spiele geschafft haben. Über das Doping, das die Spiele stigmatisiert hat. Über das traurige Bild einer leeren OlympiaStadt.

Nur über die Kultur sagten wir bisher kein Wort. Dabei wollten wir doch aus Athen eine Kulturstadt machen. Nicht nur Calatrava sollte die Olympischen Spiele prägen, sondern auch unser Kulturerbe. Wie sieht es aus, kurz vor der Abschlussfeier? Haben wir neben den Bauten auch die Kultur geschafft?

Zum Teil ja. Das Archäologische Museum hat ein starkes und schönes Lifting bekommen, das Museum für Byzantinische Kunst ebenfalls. Recht stolz sind wir auf das neue BenakiMuseum für Islamische Kunst. Das hatte uns wirklich gefehlt. Es gibt aber noch mehr: Werke von griechischen Künstlern schmücken die Fußgänger-Zonen und Plätze der Stadt. Und jeden Abend finden an allen Ecken Rockkonzerte statt.

Wir Athener leben mit einer brennenden Sonne und starken Schatten. Deren gibt es im Kulturbereich gleich zwei: Geschichten von Skandalen und politischem Opportunismus. Da ist zum einen die „Kultur-Olympiade“, das VorzeigeProjekt der vorigen Regierung. Im Sog des olympischen Traums sollte Griechenland in ein Kunstparadies verwandelt werden. Von wegen: Drei Jahre lang mussten wir zusehen, wie Millionen Euro für fragwürdige kulturelle Events verschleudert wurden. Weil aber die Mittel für die Spiele nicht unerschöpflich sind, reichte das Geld gerade für jene Projekte nicht aus, die für den Zeitraum der Spiele selbst geplant waren. Derweil beklagen die Theater, Tanztheater und Musik-Ensembles, dass sie von den Subventionen des vorigen Jahres keinen einzigen Euro erhalten haben: Die KulturOlympiade hat alles aufgefressen. Mittlerweile hat unser Premierminister auch das Kulturressort übernommen, flankiert von einer stellvertretenden Kulturministerin und zwei Vize-Ministern. Gemeinsam verwalten sie ein bankrottes Ministerium. Wäre es ein Privatunternehmen, hätte es schon vor Monaten Konkurs anmelden müssen.

Der zweite große Skandal ist das Akropolis-Museum. Wir wollten ja nicht nur das Calatrava-Dach bauen, sondern auch dieses Museum. Es wurde nichts daraus. Zwar hätte das Geld dafür gereicht, aber die damalige Opposition prangerte in ihrem Eifer alles und jedes als korruptionsverdächtig an. So wurden dem Projekt so viele Steine in den Weg gelegt, dass die Zeit für den Bau am Ende zu knapp war.

Eigentlich sollte das Akropolis-Museum mit der Ausstellung „Elginische Marmore“ eröffnet werden, jene Teile der Akropolis präsentierend, die Anfang des 19. Jahrhunderts von dem englischen Graf Elgin weggetragen worden waren. Seitdem verweilt die Kunst im Britischen Museum. Unsere Kulturminister, allen voran Melina Merkouri, hatten jahrelang für ihre Rückgabe gekämpft, zuletzt mit Erfolg. Bloß das Museum dafür gibt es nicht.

Der Politiker, der den Bau des Akropolis-Museums damals so erfolgreich verhinderte, sitzt jetzt übrigens in der Regierung. Als Vize-Kulturminister.

Petros Markaris lebt als Autor und Übersetzer in Athen. Seine Krimis sind auch in Deutschland Bestseller. Im Tagesspiegel erscheint dreimal wöchentlich sein Olympia-Tagebuch.

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