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Kulturpolitik: Steine sammeln

Auf der Suche nach dem Knut-Faktor: Die Kulturkonferenz im Auswärtigen Amt. Offenbar hat es seine Bedeutung für die Förderung und den Erhalt von Kultur erkannt.

Wenn Frank-Walter Steinmeier in seiner Grundsatzrede zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik davon spricht, dass Kultur die Steine sammeln müsse „für die Brückenpfeiler, über die Verständigung läuft“, hört sich das nicht eben ehrgeizig an. Genau das ist aber gut so. Seit Steinmeier die Geschäfte Joschka Fischers übernommen hat, wurde solide Fleißarbeit geleistet. Steine sammeln. Dass Kultur im Auswärtigen Amt als Mittel des internationalen Austauschs ins Zentrum gerückt worden ist, kann der SPD-Kanzlerkandidat belegen.

Das Goethe-Institut reformierte sich organisatorisch, so dass die Außenstellen erhalten und zehn neue Niederlassungen eröffnet werden konnten. Die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ fördert mittlerweile den Fremdsprachenunterricht im Fach Deutsch an 1200 Schulen weltweit. Jungen Deutschen gibt das Projekt „Kulturweit“ Gelegenheit, einen Freiwilligendienst im Ausland zu leisten. Natürlich, sagte Steinmeier bei der Berliner Kulturkonferenz „Menschen bewegen“, gebe es auch Baustellen. Er meint damit die geplante deutsch-türkische Universität in Istanbul. Dass seine Behörde auch bereit ist, Gelder auch in Zeiten der Krise zur Verfügung zu stellen, demonstrierte Steinmeier, als er Christoph Schlingensief Unterstützung für dessen „Festspielhaus Afrika“ zusicherte.

Dann entließ der Hausherr seine Gäste in sieben Diskussionsforen. Die waren mit so undurchsichtigen Titeln wie „Deutschlandmosaik“ oder „Kulturklimawandel“ überschrieben. Damit es trotz Bahnhofshallenatmosphäre nicht zu chaotisch zugeht, hat das Ministerium Leitfragen ausgegeben. Das Forum „Erste Schritte“ hatte Grundsatzarbeit zu leisten: „Welchen konkreten (politischen) Mehrwert schafft Kulturarbeit in Konflikten?“ Hier fand Monika Griefahn (SPD) die Anforderungen, die in der Vergangenheit an auswärtige Kulturpolitik gestellt worden seien, überambitioniert. Es sei eben nicht wahr, dass die Konflikte der Zukunft Kulturkonflikte seien, und der kulturelle Austausch allein sei nicht in der Lage, politische Gegensätze zu nivellieren.

Dass die ewige Klage über eine Vereinnahmung der Kultur durch die Politik Elfenbeinturmgeschwätz ist, konnten die Konferenzteilnehmer anhand einiger Beispiele zeigen. In Nigeria entstehen jedes Jahr rund 2500 Filme, die meisten davon unter dem Einfluss fundamentalistischer christlicher Sekten. Mit solcher Meinungsmache in Nollywood werden künftige Konflikte vorbereitet. Ob es dann richtiger sei, wie ein Konferenzteilnehmer meinte, ein Krebskrankenhaus weniger zu bauen und in Kulturprojekte zu investieren, weil das Krankenhaus beim nächsten Bombenangriff sowieso zerstört werde, sei dahingestellt.

Heiterer ging es beim „Kultur-Klima“ zu. Vielleicht, weil die Entertainerin Gayle Tufts moderierte. Vielleicht auch, weil das Obama-Hoch die deutsch-amerikanischen Beziehungen beflügelt. Da nimmt man das Tauwetter wörtlich und baut „transatlantische Klimabrücken“. Man lamentiert, das Thema Erderwärmung sei den Menschen zu abstrakt, die Künstler seien aufgefordert, zu veranschaulichen. Der Schutz der Wale sei ja auch erst in Fahrt gekommen, nachdem Wissenschaftler die Geräusche hörbar gemacht hätten, mit denen die Meeressäuger sich verständigen. Irgendwie fehle einfach der Knut-Faktor.

Nach der Konferenz sind die Ergebnisse der Panels im Foyer auf Stellwänden ausgestellt. Da erfährt man dann, dass es bei auswärtiger Kulturpolitik nicht darum gehen könne, am deutschen Wesen die Welt genesen zu lassen, sondern darum, in einen Dialog einzutreten. Mehrfach liest man das Stichwort „Augenhöhe“. Häufig genug sind die Ergebnisse Diagnosen.

Christian Manhart von der Unesco konnte es am Beispiel der zerstörten Buddhas von Bamiyan zeigen: Kultur hat keine Nationalität. Um die Statuen aus dem sechsten Jahrhundert fühlte sich die ganze Welt betrogen, als die Taliban sie 2001 zerstörten. Das Auswärtige Amt hat offenbar seine Bedeutung für die Förderung und den Erhalt von Kultur erkannt. André Weikard

André Weikard

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